28 Kap. 2. Von den Pflichten gegen Andre.
Seite her, entweder vom Vater oder von der Mutter,
betrachten können. Der Grad der Verwandschaft ist
zwar nicht so nahe, als bey leiblichen Geschwistern;
aber er ist doch mid) nicht so weit entsernt, daß Sie
dieselben nur als weikiauftiqere Anverwandten betrachten
könnten. Hier werden Sie also alles beobachten müs¬
sen, was Liebe und Aufrichtigkeit von Ihnen fordern
wird. Hingegen werden Sie alles vermeiden müssen,
was entweder zu einer Uneinigkeit Anlaß geben, oder
dieselbe befördern und unterhalten könnte. Merken Sie
sich nur folgende kleine Regeln, und suchen Sie diesel¬
ben pstichtmaßig und aufö beste zu beobachten.
§. io.
Beweisen Sie erstlich gegen Ihre Geschwister eine
aufrichtige Neigung. Zeigen Siethätlich, daß Ihre
Liebe unverfälscht und unverstellt sey. Durch ein solches
Betragen werden Sie sich eine gegenseitige Zuneigung
und Gegenliebe erwerben. Das Band der Freund-
schaft wird naher zusammengezogen und verknüpft, und
es befördert den vergnügtesten gesellschaftlichen Um¬
gang.
Zweytens. Mit der aufrichtigen Neigung muß
zugleich Bereitwilligkeit, einander zu dienen, ver¬
bunden seyn. Es gtebk gewisse kleine Dienstgefalligkei-
ten, durch deren Erweis sich Freunde unter einander ver-
kindlich machen können. Wenn Geschwister sich diese
Dienstgefaliigkeiten erweisen: so wachst ihre Liebe und
Zuneigung um destomehr; werden sie aber unterlassen, so
entsteht nach und nach Abneigung, und endlich Haß.
Erinnern Sie sich noch, Loltchen, der beyden Besuche,
welche