II. Von der Seele. 
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«gewiß das Leben als eine unerträgliche Last, und eigne 
Empfindung laßt sich von einem andern nicht leicht weg« 
disputiren. Ein solcher Entschluß wird jedoch eben so- 
wohl durch gewisse Grundsätze begünstigt, als durch 
äußere Umstände veranlaßt, und es kann also keines- 
Weges gleichgültig fepn, was für Grundsätze über diese 
entscheidende Handlung festgestellt werden. Der Selbst- 
Mörder setzt voraus, daß er durch Beraubung seines Le¬ 
bens seinen Zustand verbessern werde; allein das ist ei- 
ne sehr Ungewisse Voraussetzung. Nicht jede Veranr 
drung ist auch Verbeßrung. Er meinet vielleicht, daß 
Mit dem Tode alles aus ftp; aber auch dies ist nicht nur 
ungewiß, sondern sogar, wie wir im folgenden Kap» 
sehen werden, im hohen Grade unwahrscheinlich. 
Glaubt 'man nun eine Fortdauer nach dem Tode, so 
lehrt die Vernunft, daß der Selbstmörder unmöglich 
gleiches Schicksal haben könne mit demjenigen, welcher 
selbst unter schweren Leiden den Ruf seines Schöpfers 
geduldig abwarter. Denn man müßte sonst annehmen, 
der Urheber unsers Lebens wolle, daß wir, so bald cs 
Uns nicht länger hier gefiele, eigenuiächrig den Schau¬ 
platz, auf dem wir unsre Kräfte entwickeln und unfern 
sittlichen Charakter bilden sollen, verlassen dürften. 
Dies würde aber eine offenbare Begünstigung des La¬ 
sters seyn, wenn wir eine solche Meinung zur Sitten¬ 
tegel machten, und doch müßte sie Regel werden, werk, 
nach jener Voraussetzung, Gott den Selbstmord billigt 
und will. Wer den Selbstmord für erlaubt hält, der 
öffnet allen Lastern, wie man zu reden pflegt, Thür 
und Thor, denn was halt die meisten Menschen von 
bösen Handlungen zurück? — die bösen Folgen, wel¬ 
che sie in dem gegenwärtigen Leben haben. Diesen 
entgeht aber der Selbstmörder auf einmal, unö noch 
dazu,
	        
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