fullscreen: Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin

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dazu verstanden, seinem Volke den Handel mit England zum grö߬ 
ten Theil zu verbieten. Als nun aber verlangt wurde, er solle 
den Handel gänzlich verbieten, da achtete er es für Schuldigkeit, 
nicht weiter nachzugeben, und suchte durch freundliche Verhandlun¬ 
gen den französischen Kaiser auf andre Gedanken zu bringen. 
Napoleon aber wollte keine Gegenrede hören, sondern erklärte 
rund heraus, wenn Alexander Frieden behalten wolle, müsse sein 
Volk dem Handel mit England gänzlich entsagen. Dies war die 
erste Veranlassung zu dem Streite zwischen den beiden mächtigen 
Kaisern. 
In derselben Zeit, aber derber und mehr zufahrend, brach 
Napoleon mit einem andern Königreiche im Norden von Europa. 
In Schweden nämlich, wo der regierende König keine Kinder hatte, 
war der französische General Bernadotte zum Kronprinzen er¬ 
wählt worden. Dieser, dachte Napoleon, wird sich wohl fügen. Aber 
der fügte sich nicht. Denn als Bernadotte seinen Schweden den 
Handel mit den Engländern verbieten sollte, zeigte er gar keine 
Lust, sein neues Vaterland um nichts und wieder nichts ruiniren 
zu helfen, und sagte ohne Umschweife nein. Dies nahm Napoleon 
so übel, daß er mitten im Frieden Schwedisch - Pommern besetzen 
und als ein erobertes Land behandeln ließ. So sammelte sich auf 
allen Seiten der Brennstoff an. Es wurde immer klarer, daß der 
Krieg in nächster Zeit wieder ausbrechen müsse. Wem es diesmal 
galt, darüber konnte kein Zweifel obwalten, wenn man das ganze 
Jahr 1811 hindurch unaufhörlich französische Truppen von Westen 
nach Osten, ziehen sah. Napoleon machte ungeheure Rüstungen. 
Preußen, Östreich, die Rheinbundstaaten, Spanien, Italien mußten 
Hülfstruppen stellen. Aus Frankreich rückten immer neue Scharen 
nach. Ein Heer von einer halben Million kam zusammen und wälzte 
sich langsam gegen Morgen fort. War ein Theil abgezogen, so 
rückten andre wieder ein, wie wenn der Heerwurm über die Landstraße 
zieht. Alte Leute erinnern sich, daß die Durchmärsche oft Tage 
lang hinter einander gedauert haben. Als einst durch eine kleine 
Stadt zwei Tage lang von Morgen bis Abend fast unausgesetzt 
Truppen gezogen waren und am Morgen des dritten Tages die 
Züge von neuem anhuben, rief ein Mann entsetzt seiner Familie 
zu: „Kinder, wohin diese alle kommen, da bricht Gottes Erdboden." 
Der brach zwar nicht. Aber wohin sie kamen, da hieß es: „Was 
die Raupen lassen, das fressen die Heuschrecken, und was die Heu¬ 
schrecken lassen, das fressen die Käfer, und was die Käfer lassen, 
das frißt das Geschmeiß." Die Lieferungen, welche dieser Armee 
gemacht werden mußten, waren so über die Maßen drückend, daß 
viele Leute sich auf das kümmerlichste behelfen mußten, um den 
übermüthigen Gästen Wein und Bier liefern und Semmel und 
Fleischsuppe vorsetzen zu können. 
Unterdessen dauerten die Verhandlungen zwischen Frankreich 
und Rußland fort. Als Kaiser Alexander die Menge fremden 
Volkes immer näher herankommen sah, verlangte er, wenn man 
sich in Ruhe verständigen wolle, müsse Napoleon seine Soldaten 
aus. Preußen zurückziehen. Dies Wort sah Napoleon als eine Be¬ 
leidigung für die Franzosen an. Unter diesem Vorgeben erklärte 
Ö' a.m Äuni 1812 den Krieg und überschritt vom 23. bis 25. 
Juni mit seinem großen Heere die Grenze des russischen Reiches.
	        
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