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Karl erstürmt Goletta.
Freude und Begeisterung; er urteilte, ben räuberischen, mächtigen Ungläubigen zu bekämpfen,
sei ein Unternehmen, bey kaiserlichen Samens besonders würbig. Im Jvriifitqfir 1535 sehen
wir ihn in voller Tätigkeit. ' ;
Sn ben vergangenen Jahrhunderten war ben Spaniern bei ihren Kämpfen mit ben
Mauren nicht feiten bie Macht bes übrigen Europa zu Hilse gekommen. Was bamals frei¬
williger Eifer für bie allgemeine Sache ber Christenheit vermochte, bas bewirkte jetzt bas An¬
sehen bey Kaisers, ber so viele Sänber beherrschte. Nicht allein Italiener erschienen teils in
seinem Solbe, teils von einigen Großen, z. B. bem Fürsten von Salerno, gesenbet, sonbern
auch 8000 Deutsche, bie in ber Gegend von Augsburg unter Maximilian von Eberstein ge¬
worben waren und sich in Genna eingeschifft hatten. Schon früher einmal hatte man ja
die geschloffene Schlachtordnung der Landsknechte im Kampfe mit den leichten Arabern sehr
vorteilhaft gefunden. Vor der Abfahrt von Barcelona begab sich der Kaiser noch zu Unserer
Stellen Frau von Montserrat und nahm an einer feierlichen Prozession teil, wie alle andern
mit unbedecktem Haupte. Die Fahne, die auf dem Abmiralschiffe wehte, stellte bas Bilb bes
Gekreuzigten vor; neben ihm Maria unb Johannes. „Wer soll unser Anführer sein?" fragten
bie Großen den Kaiser. „Der ba," antwortete er, inbeirt er ans ben Gekreuzigten zeigte,
„ich bin nur sein Fähnrich". Dem Großabmiral Andrea Doria hatte ber Papst einen ge¬
weihten Degen zum Geschenk gemacht.
Die von beiden Seiten, von Italien unb Spanien, heransegelnben Flotten vereinigten
sich an ber sardinischen Küste bei Eagliari; von hier nahmen sie (am 14. Juni 1535) ihren
Sauf nach Tunis. Die Scinbung geschah ohne alle Schwierigkeit.
Es scheint, als habe Chairebbin beit Nachrichten, bie er von ben Rüstungen bes
Kaisers empfing, niemals geglaubt. Wenigstens war er nicht vorbereitet, ber Einschließung
seines Schlosses unb Arsenals Goletta, bie sehr langsam unb methobisch vollzogen würbe,
ein ernstliches Hinbernis entgegenzusetzen. Nachbetn man nur erst bazugekommen war, Goletta
von ben Schiffen unb betn Säger aus zugleich zu beschießen, würbe es ohne viele Mühe er¬
stürmt. Die Spanier behaupteten, von ben Kanonen, die sie ba fanben, seien einige mit
den französischen Silien bezeichnet gewesen. Um vieles schwieriger war es nun aber, Tunis
selbst anzugreifen.
Muley Hassan war im kaiserlichen Säger erschienen und hatte in Aussicht gestellt, daß
ein großer Teil der Eingebogen sich für ihn erheben werde. In der Stadt Tuuis unter¬
schieb man vier Parteien unb nicht bie schwächste war jene, welche sich zu ben Beni Hass
hinneigte; aber bie Gegenwart bes mächtigen Korsaren hielt alles im Zaume. Den arabischen
Stämmen würbe eingerebet, baß ber Kaiser bas Sand sich selbst unterwerfen und ben Islam
vertilgen wolle. Selbst wider ihren Willen folgten die Tunisier, über 9000 Reiter stark,
ihrem Gewaltherrn in das Feld.
Am 20. Juli noch vor dem Morgengrauen brach der Kaiser ans, um einen Versuch gegen
Tunis zu machen, auch ohne die Hilfe der Eingebornen. Er hatte sich vorgenommen, die
Nacht eiu paar Miglieu von ber Stabt entfernt bei ben Ruinen einer antiken Wasserleitung,
wo man Baumpflanzungen unb Brunnen fanb, zuzubringen. Allein wie erschrak er, als er nach
Mittag mit feinem burch Hitze unb Durst schon ganz erschöpften Heere in ber Nähe biefes
Platzes anlangte unb benselben von weit zahlreicheren Scharen ber Feinbe eingenommen sah.
„Was tun wir nun, mein Vater?" sagte er zu Alarcone. „Herr," antwortete bieser,
„mir greifen ]ie ait unb wir werben sie schlagen, so gewiß, als Ihr ber Kaiser fetb."
Das kaiserliche Heer mochte nicht ganz 30,000 Mann zählen: aber wie schlecht bewehrt!
Mit bett Armen hatten bie Deutschen ein paar Stück Geschütz herangeschleppt. Chairebbin