— 31 —
von Brandenburg, dem er seine Stellvertretung in
Deutschland zugesagt hatte: nur Friedrich der Weise war
allen solchen Verhandlungen unzugänglich geblieben. Auch
Joachim I. hatte seine Gedanken auf die Krone gerichtet;
für Karl gab den Ausschlag die Anhänglichkeit an die alte
Kaiserfamilie, sodafs selbst während der Wahlberatungen
in Frankfurt Volkskundgebungen für Karl stattfanden.
Bedingungen vor der Wahl hatten schon Rudolf
von Rheinfelden sowie auch Rudolf I. eingehen müssen;
die erste eigentliche Kapitulation ist die Karls V., auf
die Friedrich der Weise drang: sie galt als ein von den
Kurfürsten im Namen der ändern Stände (Fürsten und
Städte, s. u. zu 1521) abgeschlofsener Vertrag und umfafste
34 Artikel; sie wurde von da an allen Kaisern vorgelegt.
Später verlangten und erhielten auch die ändern Stände
Mitwirkung bei der Abfassung derselben; eine‘capitulatio
perpetua' (in 30 Artikeln) gab es seit Karl VI. (1711).
1519 (Juli.) Durch einen Angriff auf seine Ansichten seitens des
Ingolstädter Professors Dr. Eck wird Luther veranlafst, den
Streit wieder aufzunehmen: dieser soll auf einer öffentlichen
1519 Ulrich (Huldreich) Zwingli, früher Prediger in dem Wallfahrts¬
ort Mariä Einsiedeln, wird Leutpriester am Münster zu Zürich
und tritt für Luther und seine Lehren ein; wie er jedoch be¬
reits vor Luther gegen die innere Unwahrheit der Kirche
(Wallfahrten, Aberglauben, Ablafs u. a.) gepredigt, nimmt er
eigentümliche und selbständige Reformen vor. Unter
seinem Einflufs wird die Predigt des Ablasses aus Zürich
ferngehalten und der Geistlichkeit 1520 vom Rat erlaubt,
dem Evangelium gemäfs zu predigen und äufserliche, un¬
wesentliche Ceremonien aufzugeben: die Beseitigung
des Cölibats, des Bilderdienstes, der Messe, die
Zwingli in grofsen öffentlichen Disputationen siegreich be¬
kämpft, führt zur Losreifsung von dem Bistum Constanz und
der Kirche (1523) sowie zur Aufstellung einer Kirchenver¬
fassung nach dem Vorbilde der ältesten christlichen Ge¬
meindeverfassung mit strenger Kirchenzucht. Von 1524
an Streit mit Luther über das Abendmahl: Luther stellt Zwingli
den Schwarmgeistern (Carlstadt u. s. w.) gleich. — Die Re¬
formation breitet sich in der ganzen Schweiz aus,
nur die Urkantone (Schwyz, Uri, Untenwaiden,
Luzern) und Zug bleiben katholisch.
Zwingli, Bürger eines demokratischen Gemeinwesens,
hat seiner Kirche dementsprechend eine demokratische
Verfassung mit Teilnahme der Gemeinde gegeben, während
die der Lutherischen Kirche monarchisch blieb. Vgl.
zu 1541.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Luther und Zwingli
war auch der, dafs ersterer alles aus der katholischen Kirche
beibehalten wollte, was mit der Schrift nicht in Wider¬
spruch stand, der radikalere Zwingli aber nur das, was
sich aus der Schrift begründen liefs.