82 Das römische Reich unter den Imperatoren.
war und in Constantinopel lebte, ihm durch Anbieten ihrer Hand einen
Anspruch auf einen Theil des Reiches gegeben zu haben schien. Im
Jahre 451 wälzte sich sein unermeßliches Heer durch Germanien gegen
den mittleren Rhein. Es scheint, daß sein nächstes Ziel die Westgothen
waren, durch deren Bezwingung er dem weströmischen Reiche seine Haupt¬
stütze zu nehmen gedachte. Sein Zug brachte theils mittelbar, theils
unmittelbar eine Menge germanischer Völker in neue Gegenden, so daß
nach jenem Zuge die Stellung der nordischen Völker eine veränderte
war. Aetius hatte der drohenden Gefahr gegenüber nicht bloß die West¬
gothen, sondern auch die übrigen in Gallien wohnenden Germanen zu
einem Bündnisse mit Rom gewonnen und es begegnete dem hunnisch¬
germanischen Andrange ein römisch-germanischer Widerstand. Im Ge¬
biete der Catalaunen, bei dem Orte Muriacum, trafen beide Heere
aufeinander und ein Sieg des Aetius rettete die Welt von Ueberflutung
durch Barbarei. Attila kehrte über den Rhein zurück und unternahm
im folgenden Jahre einen Einfall in Italien. Von Aquileja her ver¬
breitete er Verwüstung über die Ebenen des Po. In Venetien rettete
sich ein Theil der Bevölkerung auf die kleinen Inseln am Ausflüsse der
Brenta, wodurch der Grund zu der nachmaligen Stadt Venetia oder
Venedig gelegt wurde. Auf dem Wege nach Rom bewog ihn eine Ge¬
sandtschaft, an deren Spitze Papst Leo der Große stand, zur Umkehr.
Im Jahre 453, als er die beiden römischen Reiche durch neue Forde¬
rungen schreckte, starb er eines plötzlichen Todes und mit ihm war des
Volkes Macht dahin. Der König der Gepiden, Ardarich, befreite sich
durch eine Schlacht in Pannonien, wo Attila's ältester Sohn, Ellak,
fiel, von hunnischer Herrschaft. Aehnliches thaten andere unterworfene
Völker. Die Hunnen lösten sich in einzelne Schaaren auf und zogen sich
unter Attila's uneinigen Söhnen in die Gegenden am Pontus zurück, wo
sie zum Theil mit andern aus Asien eingedrungenen Völkern verschmolzen.
47. Die Stellung der nordischen Völker, welche ein Ergebniß von
der Bildung des großen hunnischen Reiches, den Heerfahrten Attila's
und der Auflösung seines Reiches bildet, ist folgende. Der ostwärts
von der Elbe gelegene Theil Germaniens erscheint als der Wohnplatz
sarmatischer oder slavischer Völker. Wahrscheinlich haben Slaven, die
schon unter den Germanen hier gewohnt hatten, über diese, die sich durch
fortwährende Auszüge von Gefolgschaften gegen Süden geschwächt hat¬
ten, die Oberhand gewonnen, indem sie sich zugleich durch ihre von
Osten nachrückenden Stammgenossen verstärkten. Südwestlich von ihnen
entsteht durch Vereinigung von Stämmen und Gefolgschaften der suevi-
schen Völker das Reich der Thüringer, im Nordwesten an die Sachsen,
im Westen an die Chatten grenzend und gegen Süden in die oberen
Maingegenden hineinreichend. An der pannonischen Donau, in der