Full text: Die Geschichte der Römer und der mit ihnen in Beziehung getretnen Völker (Bd. 1, Abth. 2)

280 
Der erste Bürgerkrieg. Marius und Sulla. 
auf die Kunde davon sogleich sein Heer zu einer Versammlung und brachte es, 
indem er ihm bemerklich machte, daß Marius andre Soldaten in den Krieg 
führen werde, von dem sie sich so reiche Beute versprochen hatten, in solche Er¬ 
bitterung, daß die Soldaten, ohne daß er sie dazu aufforderte, mit lautem 
Rufe gegen Rom geführt zu werden begehrten und die zurÜbernahme des Kom- 
inandos abgeschickten Tribunen todschlugen. Zwar die hohem Befehlshaber mit 
Ausnahme eines einzigen *) verließen ihn, aber er führte feine sechs Legionen 
gegen die Hauptstadt. Sein College Q. Pompeius Rufus vereinigte sich mit 
ihm und manche seiner Freunde flüchteten, aus Furcht oder wirklich von G. 
Marius angetastet, unter seine Fahnen; die den Weitermarsch verbietenden Ab¬ 
gesandten des Senats, der ganz in G. Marius und P. Sulpicius Händen 
war, wurden entweder mit höhnender Gewalt abgefertigt oder getauscht, und 
es waren keine eigentlichen Rüstungen vorhanden/als sich die Coss. mit dem Heer 
vor der Stadt aufstellten und zwei Legionen in die Stadt eindrangen. Freilich 
warf das Volk von den Dächern auf sie, aber indem Sulla, eine brennende 
Fackel schwingend, die Hauser in Flammen zu setzen befahl, ward dieser Wider¬ 
stand gebrochen. Auf dem esguilinischen Forum wurden die andringenden von 
Marius und Sulpicius zurückgeworfen, aber sie erhielten Verstärkung und 
drohten bald mit Einschließung. Da ihr Aufruf an die Bürger und an die 
Sklaven sich vergeblich erwiest, so flüchteten jene beiden Männer eiligst aus der 
Stadt, auf deren Straßen Sulla mit seinem Heer warend der Nacht im Biwacht 
blieb'). Die Saat der Revolution ist aufgegangen; ein römisches Heer hat be¬ 
wiesen, daß ihm Bürgersinn und Bürgertugend abhanden gekommen ist, daß es 
herausgefordert durch die Pöbelbanden für seines Führers und seine eignen 
Interessen die Waffen gegen das eigne Vaterland zu führen gelernt hat. Die 
Soldateska entscheidet fortan Roms Schicksale. 
3. Sulla hielt in der eroberten Stadt gute Mannszucht, aber P. Sul- 
p i c i u s, G. Marius und i h r e b e d e u t e n d st e n A n h a n g e r — an Zahl 
zwölf— wurden durch einen Senatsbeschluß geachtet und über ihre Güter 
die Einziehung verhängt. P. Sulpicius ward bei Laurentum getödet und sein 
blutiges Haupt auf der Rednerbühnc ausgestellt. Wie der greise G. MariuS, 
einst Roms gepriesner Retter, jetzt als ein verfehmter umherirrte, stets in 
Todesgefahr schwebend, aber immer mitleidige Herzen findend und durch das 
Andenken an das was er gewesen imponierend, wie ihm in Sicilien und auf 
Karthagos Trümmerstatt nicht ein Platz zum Ausruhn gegönnt wird, wie er, 
von dem Numidenkönig Hiempsal getäuscht, endlich mit seinem Sohne 
und einigen Freunden von der kleinen InselKerkina aus durch Seeräubereisein 
und der Seinen Leben fristen muß, bildet einen der tragisch ergreifendsten, am 
deutlichsten an die Vergänglichkeit und Schwäche des auf Menschenwillen und 
Menschenkrast gebauten Glücks erinnernden Vorgänge in der Geschichte^). Die 
von P. Sulpicius durchgebrachten Gesetze wurden natürlich aufgehoben^), aber 
Sulla wollte auch eine beßere Ordnung im Staate schaffen. Des sehr zusam- 
inengeschmolznen Senats Ansehn sollte die Aufnahme von 300 neuen Mlt- 
1) xcoq'ls svog tcifiLov App. 485, 4. — 2) App. 485 sq. Plut. Süll. 10. Mar. 
35. Liv. ep, LXXVTT. Veli. II 18. Val. Max. IX 7, 1. — 3) App. 487 — 489. 
Plut. Mar. 35 — 40. Süll. 10. Momms. II 255 f. — 4) App. 487, 9. Göttling 
Gesch. b. röm. Staatsv. 453 vermutet, daß das die Bnndesgcnoßen betreffende Ge¬ 
setz nicht abgeschafft worden sei, imb allerdings konnte cs Sulla gleichgültig „sein, 
wenn die Comitienverfaßung den reichen uub vornehmen Römern wieder das llbcr- 
gcwicht verschaffte, doch könnte man dann, was von Cinna geschah, nur als mis- 
verstanden ansehn.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.