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Der erste Bürgerkrieg. Marius und Sulla.
auf die Kunde davon sogleich sein Heer zu einer Versammlung und brachte es,
indem er ihm bemerklich machte, daß Marius andre Soldaten in den Krieg
führen werde, von dem sie sich so reiche Beute versprochen hatten, in solche Er¬
bitterung, daß die Soldaten, ohne daß er sie dazu aufforderte, mit lautem
Rufe gegen Rom geführt zu werden begehrten und die zurÜbernahme des Kom-
inandos abgeschickten Tribunen todschlugen. Zwar die hohem Befehlshaber mit
Ausnahme eines einzigen *) verließen ihn, aber er führte feine sechs Legionen
gegen die Hauptstadt. Sein College Q. Pompeius Rufus vereinigte sich mit
ihm und manche seiner Freunde flüchteten, aus Furcht oder wirklich von G.
Marius angetastet, unter seine Fahnen; die den Weitermarsch verbietenden Ab¬
gesandten des Senats, der ganz in G. Marius und P. Sulpicius Händen
war, wurden entweder mit höhnender Gewalt abgefertigt oder getauscht, und
es waren keine eigentlichen Rüstungen vorhanden/als sich die Coss. mit dem Heer
vor der Stadt aufstellten und zwei Legionen in die Stadt eindrangen. Freilich
warf das Volk von den Dächern auf sie, aber indem Sulla, eine brennende
Fackel schwingend, die Hauser in Flammen zu setzen befahl, ward dieser Wider¬
stand gebrochen. Auf dem esguilinischen Forum wurden die andringenden von
Marius und Sulpicius zurückgeworfen, aber sie erhielten Verstärkung und
drohten bald mit Einschließung. Da ihr Aufruf an die Bürger und an die
Sklaven sich vergeblich erwiest, so flüchteten jene beiden Männer eiligst aus der
Stadt, auf deren Straßen Sulla mit seinem Heer warend der Nacht im Biwacht
blieb'). Die Saat der Revolution ist aufgegangen; ein römisches Heer hat be¬
wiesen, daß ihm Bürgersinn und Bürgertugend abhanden gekommen ist, daß es
herausgefordert durch die Pöbelbanden für seines Führers und seine eignen
Interessen die Waffen gegen das eigne Vaterland zu führen gelernt hat. Die
Soldateska entscheidet fortan Roms Schicksale.
3. Sulla hielt in der eroberten Stadt gute Mannszucht, aber P. Sul-
p i c i u s, G. Marius und i h r e b e d e u t e n d st e n A n h a n g e r — an Zahl
zwölf— wurden durch einen Senatsbeschluß geachtet und über ihre Güter
die Einziehung verhängt. P. Sulpicius ward bei Laurentum getödet und sein
blutiges Haupt auf der Rednerbühnc ausgestellt. Wie der greise G. MariuS,
einst Roms gepriesner Retter, jetzt als ein verfehmter umherirrte, stets in
Todesgefahr schwebend, aber immer mitleidige Herzen findend und durch das
Andenken an das was er gewesen imponierend, wie ihm in Sicilien und auf
Karthagos Trümmerstatt nicht ein Platz zum Ausruhn gegönnt wird, wie er,
von dem Numidenkönig Hiempsal getäuscht, endlich mit seinem Sohne
und einigen Freunden von der kleinen InselKerkina aus durch Seeräubereisein
und der Seinen Leben fristen muß, bildet einen der tragisch ergreifendsten, am
deutlichsten an die Vergänglichkeit und Schwäche des auf Menschenwillen und
Menschenkrast gebauten Glücks erinnernden Vorgänge in der Geschichte^). Die
von P. Sulpicius durchgebrachten Gesetze wurden natürlich aufgehoben^), aber
Sulla wollte auch eine beßere Ordnung im Staate schaffen. Des sehr zusam-
inengeschmolznen Senats Ansehn sollte die Aufnahme von 300 neuen Mlt-
1) xcoq'ls svog tcifiLov App. 485, 4. — 2) App. 485 sq. Plut. Süll. 10. Mar.
35. Liv. ep, LXXVTT. Veli. II 18. Val. Max. IX 7, 1. — 3) App. 487 — 489.
Plut. Mar. 35 — 40. Süll. 10. Momms. II 255 f. — 4) App. 487, 9. Göttling
Gesch. b. röm. Staatsv. 453 vermutet, daß das die Bnndesgcnoßen betreffende Ge¬
setz nicht abgeschafft worden sei, imb allerdings konnte cs Sulla gleichgültig „sein,
wenn die Comitienverfaßung den reichen uub vornehmen Römern wieder das llbcr-
gcwicht verschaffte, doch könnte man dann, was von Cinna geschah, nur als mis-
verstanden ansehn.