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Numa Pompilius. Die römische Religion.
gonischen Zusammenordnung der gesamten Götterwelt, sondern nur Hervor¬
hebung einzelner und Nebeneinanderstellung mehrerer im und für den Kult*).
2) Die älteste Zeit kannte keine Darstellung der Götter durch Bilder und keine
die Gottheit als Wohnung in stch faßende Tempel, sondern vergegenwärtigte
stch dieselbe (nurnen) durch Symbole, aber nur einfache der Natur entnommene
(Bäume, Steine, vorzüglich Thiere, Stäbe, Lanzen, Schilde u. s. w.) und
betete und opferte nur an zum Kult ersehenen und geweihten Stätten: ein
Beweis für die abstrakte Auffaßung^). 3) Viele Erscheinungen des Lebens und
der Natur, namentlich die wichtigsten und am weitesten wirksamen (z. B. Erd¬
beben), wurden nicht bestimmten einzelnen Gottheiten zugeschrieben, ja bei
vielen Anrufungen sogar die Unmöglichkeit ein göttliches Wesen zu nennen
und bestimmt zu bezeichnen ausgesprochen^). 4( Wenn in Folge der abstrakt
allgemeinen Auffaßung der Gottheit die einzelnen Gottheiten leicht in einander
hinüberstießen1 4 *), so ist doch hinwiederum daS Wesen so eng und vollständig
mit den Verhältnissen und Erscheinungen, welche man ihrer Wirksamkeit zu¬
schreibt, verbunden und bei der Kultstätte oder bei der Kulthandlung so persön¬
lich gegenwärtig gedacht, daß die einzelnen Gottheiten förmlich in viele numina
zertheilt werden. Viel leichter und schneller als bei den Griechen wurden die
durch Beinamen ausgedrückten Wesensäußerungen zu besonderen Gottheiten
erhoben^), aber auch im Gegensatz dazu die Namen der Götter in viel ausge¬
dehnterem Maße und anderem Sinne für das, was sie gaben oder dem sie vor¬
standen, gebrauchtO). 5) So zahlreich, wie in keinem andern alten Heidentum,
sind in dem italisch-römischen Volksglauben die göttlichen Geister, welche nur
bei den verschiedenen Erscheinungen der Natur und den Interessen des praktischen
Lebens hervortreten, immer nur personificierte Abstraktionen, nur an das be¬
stimmte einzelne Geschäft fi.riert, oft mit Personen verbunden und mit diesen
daher entstehend und vergehend gedacht (Genien). Hierbei trat nur der Gedanke
an eine Wiedererneuerung und Wiederbelebung als den Begriff der Unsterblich¬
keit vermittelnd dazu. 6) Die Römer ermangelten fast gänzlich des griechischen
Heroenkults, waren aber auch in der ältesten Zeit wenigstens vor Menfchen-
vergötterung bewahrt7).
1) Prell. M. 57 f. und 85 f. Im öffentlichen Kulte traten zu Rom zwölf
männliche und acht weibliche Gottheiten am meisten hervor, welche Narro dei
selecti nennt, Prell. M. 62—64. Daneben ward in Italien das griechische Zwölf¬
göttersystem (§ 48, 1) einheimisch, in Rom zu Anfang des zweiten punifchen Krie¬
ges, Prell. M. 59 f. — 2) Prell. M. 93 — 103. — 3) Die Formeln si deo si deae,
sive deo sive deae, sive mas sive femina, sive quo alio nomine fas est adpellare
und der Ausdruck deos confuse und generaliter invocare. Vgl. Prell. M. 55 f. —
4) Prell. M. 48. — 5) Prell. M. 49. Die genii deorum ebenda 67 n. 75. Hier¬
auf beziehe ich, wenn Varro trecentos Joves seu Juppitres angab; f. die Stellen
bei Prell. M. 51, 3. — 6) Mars = bellum, Bacchus ö vinum, Ceres = frumen¬
tum n. f. w. S. die Erklärer zn Verg. Ecl. 4, 32. 5, 59. A. 1 177. 636. IX 337. -
7) Es mögen hier noch einige Götterbezeichnnngen angeführt werden, welche int folgen¬
den tticht ausführlicher besprochen werden können. Die dei indigetes (Liv. VIII 9, 6)
erweisen sich als römische (oder latinische) Lokalgötter, wie denn Äneas nach feinem
Verschwinden int Numicius zum Juppiter indiges wird (Liv. I 2, 6. Vgl. Prell.
M. 79, der den Namen wol richtig auf indu und die Wurzel geno (gigno) zurück¬
führt). Da die dei novensiles (oder novensides), welche nach den Laren angerufen
wurden, durch bestimmte Überlieferungen als fabinische Gottheiten bezeichnet werden
(Prell. M. 89 f.), so hat man wol ein Recht, sie als gleichen Wcscits mit den la-
tinischen Jndigeten aufzufaßen und die schon im Altertum attfgestellte Bedeutung,
wornach indigetes alle ursprünglich einheimischett, novensides alle atts der Fremde
überkommenen Gottheiteit gewesen, nicht für die ursprüngliche zn haltett (Momms.
I 152). Der Name Lerno scheint ntit sero, semen in Stammverwandtschaft zn stehen,