Die Zeiten Luthers und Karls Y.
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er verweigerte aber den von Kajetan verlangten Widerruf
einiger von seinen Gegnern angefochtenen Sätze und verließ,
da er für seine persönliche Sicherheit besorgt war, flüchtig
die Stadt.
An Leo X. richtete er zur Rechtfertigung seines Benehmens
die Schrift: „Von dem schlecht unterrichteten Papst an
den besser zu unterrichtenden Papstu (De papa male
informato ad papam melius informandum). Da sein Landes¬
herr, Kurfürst Friedrich der Weise, offen für ihn Partei
nahm1), brauchte er zunächst nichts zu befürchten.
Indessen gelang es zu Anfang 1519 dem päpstlichen
Kämmerer Karl von Miltitz, einem geborenen Sachsen, durch
entgegenkommendes Ein wirken von Luther die Zusage zu
erlangen, daß er den Handel ruhen lassen wolle, wenn auch
die Gegner schwiegen.
2) Der Bruch mit der katholischen Kirche.
a) Die Leipziger Disputation im Jahr 1519: Die
Erbitterung der Parteien war jedoch zu groß, Luther war
innerlich der römischen Kirche schon zu sehr entfremdet, als
daß er, ohne sich selbst untreu zu werden, sein Versprechen
auf die Dauer hätte halten können.
Neuen Anlaß zum Hervortreten gab ihm eine theologische
Disputation in Leipzig (Juli 1519). Hierbei drohte der Luthers
Ansichten anhangende Professor Andreas Bodenstein, gewöhn¬
lich nach seinem Geburtsort Karlstadt2) genannt, seinem
gelehrteren und schlagfertigeren Gegner, dem Ingolstadter
Professor Eck, zu unterliegen; da griff der gleichfalls anwesendem
Luther, der in der Sache seines Amtsgenossen die eigene ge¬
fährdet sah, selber ein und zeigte im weiteren Verlauf des Wort¬
gefechts unverhohlen, daß er mit einigen Grundlehren der
römischen Kirche völlig zerfallen war. Er bestritt nicht nur
den göttlichen Ursprung des päpstlichen Primats,
sondern verteidigte auch einige von der Kirche verurteilte Sätze
von Hus und leugnete die Unfehlbarkeit der Konzilien.
b) Die Bannbulle im Jahr 1520: Für solche Ansichten
war kein Raum mehr in der römischen Kirche. Darum fand
nun Luther die Unterstützung aller derer, die dem Papsttum
’) Er untersagte die Ablaßpredigt in Kursachsen.
2) Städtchen am Main, unterhalb Würzburgs.