Full text: Die Zeit von Christi Geburt bis zum Regierungsantritt Karls des Großen (Bd. 2, Abth. 1)

Hadrianus 117 —138. 
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vollzogne Strafgericht hatte das Volk nicht gebessert, vielmehr zu tödlichem 
verbissenem Hatz gegen alle anders Glaubende, besonders auch gegen die Chri¬ 
sten aufgeregt, wie er sich schon in blutigen Schauerscenen ausgesprochen hatte 
(§20, 4 a. E.). Je tiefer es seine Schmach vor der Welt empfand, um so 
fanatischer klammerte es sich an seine bereits erfüllten, aber verstoßnen Mes- 
siashosfnnngen an und öffnete Betrügern willig das Ohr. Daß Hadrianus 
aiif den Trümmern ihres heiligen Jerusalem eine griechisch-römische Colonie 
(Älia Capitolina) mit Tempeln heidnischer Götter errichtete, das war das 
äußerste, was das Volk erfahren konnte, und jetzt muste seinem Glauben nach 
der Messias kommen. Ein durch seinen Feuereifer im Ansehn eines Propheten 
stehender Lehrer Akiba forderte zun: letzten Kampfe auf und erklärte einen 
seiner Schüler für den verheißnen Messias, indem er den von seiner Heimat¬ 
stadt Kohiba entlehnten Namen in Bar Kochab (Sohn des Sternes) um- 
wandelteG- Nasch erhob sich 132 der Aufstand, von allen Seiten strömten 
die fanatisierten Juden nach Palästina und furchtbar ward gegen Römer, Grie¬ 
chen und Christen gewütet. Der Statthalter Tinnins Rufus vergalt den Juden 
ihre Grausamkeit in vollstem Maße, regte jedoch nur zu um so größerm Fana¬ 
tismus auf. Da ries Hadrianus den erprobten Feldherrn Julius Severus 
von Britannien ab, um die Führung des Kriegs zu übernehmen. Dieser wüste 
vorsichtig die Streitkräfte der Juden zu teilen und vernichtete so die einzelnen 
Haufen und eroberte einen festen Platz nach dem andern. Zuletzt ward Bethar 
(bei Jerusalem) mit hartnäckigster Tapferkeit verteidigt, aber im Aug. des 
I. 135 siel auch dieser Platz in der Römer Hände. Barkochab selbst war ge¬ 
fallen und für die ungeheure Menge der erschlagnen Juden boten der Römer 
ansehnliche Verluste einen traurigen Trost. Grausam wurden die gefangnen 
Juden behandelt und in harte Knechtschaft verkauft. Ob das Verbot der Be- 
schneidnng^) lange gehandhabt werden konnte, wissen wir nicht, aber verboten 
ward der Besuch Jerusalems und der Umgegend. Nur durch große Opfer er¬ 
kauften sie die Vergünstigung, an einem Tage des Jahrs, dem Tage der Zer¬ 
störung den durch heidnischen Cult entweihten Boden betreten zu dürfen, um 
auf den Gräbern zu weinen. Heimatlos ausgestoßen und unter die Völker 
zerstreut blieben fortan die Juden, deren durch die Halsstarrigkeit gegen die 
göttliche Wahrheit verschuldetes Schicksal den wahren Christen nur zur ernste¬ 
sten Selbstprüfnng und zur barmherzigen Liebe lenken kann. 
4. H. trat seine Regierung damit an, daß er die üblichen Spenden (lar- 
gitio) an die Soldaten verdoppelte und die Kronensteuer (aurum coronarium) 
Italien ganz, den Provinzen zum Teil erließ. Eine bedeutende Wolthat war 
die Streichung aller seit dem I. 102 bei dem Fiscus restierenden Zahlungen. 
Aber die Ermordung des Lusius Qnietus, Celsus, Palma und Nigrinus, so 
wie andrer als Teilnehmer der von ihnen angeblich angezettelten Verschwörung 
warf einen finstern Schatten auf den neuen Kaiser, welcher offenbar damit nur 
seine Rache, weil sie ihm an Traians Hofe entgegengearbeitet hatten, gekühlt 
und sein Mistrauen beschwichtigt hatte. Große Geschenke an das Volk unb 
die eidliche Versichrung an den Senat, daß er keinen Senator aus eigner 
Machtvollkommenheit werde hinrichten lassen, vermochten doch nicht gänzlich 
über die Gesinnung des Herschers zu beruhigen. Daß er die von Traian den 
Kindern bewiesne Fürsorge namentlich für Mädchen bedeutend ausdehnte, das 
Loos der Sklaven verbesserte^) und viele dem Leben heilsame Verfügungen 
1) Ich folge den Forschungen von Paul Möbius. — 2) Vgl. Gregorov. S. 57 f. 
— 3) Gregorov. S. 99.
	        
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