Full text: Die Zeit von Christi Geburt bis zum Regierungsantritt Karls des Großen (Bd. 2, Abth. 1)

Hadrianus 117 — 138. 
Rhetorik und Sophistik, die keine Wahrheit mehr annerkennt, nicht so mächtig 
emporgehoben und so allgemein verbreitet worden wäre. Hadrianus' Vorliebe 
für das Griechische hat ein entschiednes Übergewicht der Litteratnr in dieser 
Sprache zur Folge gehabt. Erkennen wir darin einen Beweis, daß der speci- 
fisch römische Geist selbst für den Staat in völligem Absterben begriffen ist, 
so müßen wir auch den Griechen einen entschiednen Vorrang in Geschmack und 
Tiefe zugestehn. Einem Artemidoros, welcher seine ganze Zeit der Bedeu¬ 
tung der Träume ^ widmete, stellen sich die höchst wertvollen Leistlingen für 
Geographie, Astronomie und Chronologie von Claudius P tolemäus'), für 
die Medicin von Claudius Galenus^), für die Beschreibung Griechenlands 
von Pausanias gegenüber. Als Geschichtschreiber verdienen Flavins 
Arrianus^) und Appianus^), weil sie die Sache möglichst treu ohne 
Ausschmückung darzustellen bedacht waren, noch immer Lob. Der Name Sophist 
ward zuerst Dion Chrysostomos wieder erteilt, welcher unter Nerva und 
Traian in Nom hoher Ehre genoß. Seine Neden verbreiteten sich über die 
verschiedenartigsten, freilich auch spitzfindig gewählten Gegenstände, zeigen aber 
umfängliches Wissen und selbst im Styl Nachahmung der besten attischen 
Muster0). Natürlich haben die Leute dieser Art sehr viel zur Verderbnis ihres 
Zeitalters beigetragen, aber wie sie von diesem selbst hervorgerufen waren, be¬ 
greift man, wenn man liest, wie begierig die extemporierten Vorträge über 
nutzlose, ganz fern liegende, nur durch ihre Sonderbarkeit, ja Widcrstnnigkcit 
interessierende Themata gehört wurden, welche Reichtümer sie aus ihren Fahrten 
erwarben, mit welchem Prunk sie auftratcn, welche wichtige Geschäfte, namentlich 
Sendungen, man ihnen anvertraute. Da war keine ehrwürdige Mythe welche nicht 
verspottet, keine philosophische Lehre welche nicht spitzfindig bekämpft und 
gedreht, keine Sitte, an der nicht eine lächerliche Seite hervorgekehrt wurde. Wol 
wurden kräftige Sätze, namentlich aus der stoischen Moral, vorgebracht, wol Thor- 
heiten und Schlechtigkeiten mit aller Schärfe gegeißelt, aber immer bleibt der 
Eindruck: Alles die Form, kein Glaube, keine Wahrheit; ein fortwärendes 
Niederreißen, aber kein Ansatz zu einem Aufbau. Fav oriuus') dürste vielleicht 
richtiger zu den Philosophen gerechnet werden, da er wenn auch zweifelnd au 
Platon sich anlehnte und den mystischen Unsinn bekämpfte, doch steht er durch sein 
stetes Disputieren, oft über Worte, auf der Seite der Sophisten. Die berühmten 
Vorgänger, Dionysios von Milet, Polemon aus Laodikea und den rei¬ 
chen, baulustigeu und wunderlichen Athener Herodes Atti cus^) übertrifst 
bei weitem Lukianos aus Samosata (zw. 120 und 130 geb.). Denn mit 
umfänglichster Gelehrsamkeit verband er scharfe Beobachtungsgabe und den 
1) Oneirokritika, in der Zeit der Antonine. —' 2) Das Itinerarium Antonini, 
wahrscheinlich unter Caracalla verfaßt, gibt Zeugniß von der Fortdauer geographisch- 
statistischer Studien. Ptocmäus' Werk si ^isydkr) Gvvxa'giq hat von der arabischen 
l'lbersetzuug den Namen Almagest erhalten. — 3) Geb. ;u Pergamum 131. — 
4) Arri anus ward von Hadrian hochgeehrt und zum Statthalter über Bithynicn 
bestellt. Von seinen Werken sind die 7 Bücher über Alexanders Feldzüge die bekann¬ 
testen. — 5) Seine römische Geschichte, welche die in den einzelnen Ländern geführ¬ 
ten Kriege und so anch die Bürgerkriege im Ztisammcnhangc bchaudclt, ist durch 
einfache Sprache uud gute Quellenbenützung wertvoll. — 6) Geboren war er zn 
Prnsa in Bithynicn. 80 Schriften sind uns erhalten. — 7) Er war ein Gallier aug 
Arelate, aber durch seine Bildung zum Griechen geworden. Durch seinen Gegensatz 
gegen die Mystik erregte er Hadrians Misfallen (vor. S. Anm. 6). Wir kennen 
ihn mehr au§ Gcllins, als aus den Fragmenten seiner zahlreichen Schriften. — 
8) Unter sciite Wunderlichkeiten gehört der Gedanke, aus eignen Mitteln den Isth- 
mtts ztt durchstechen. Übrigens machte er von seinem Reichtum keinen schlechten 
Gebrauch.
	        
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