Die christliche Kirche unter Constantinus.
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Vermittlung zwischen bent endlichen und unendlichen? Den im Heidentum
aufgewachsnen mochte es wol am schwersten fallen von sinnlichen Vorstellungen
sich los zu machen, und mancher Lehrer es natürlich finden, sie erst allmählich
vorbereitend zu der höchsten Wahrheit zu führen, und nicht sehn, wie dadurch
dem Misbrauch das Thor aufgethan ward. Denn waren die Heiligen der
Kirche Gegenstand der Ehre, so knüpfte sich leicht der Jrtum an, daß man
durch ihre Fürsprache bei Gott mehr erreiche und dieser bedürfe; suchte man
im Anblick von Bildern und Reliquien Erbauung, so ward bald der Schritt
gethan, daß man grobsinnlich diesen Dingen selbst Wunderkraft zuschrieb;
wallte man nach den Orten, wo Christus gelebt und gelitten, so meinte man
damit bald ein Gott wolgefälliges und zur Entsündigung dienendes Werk
gethan zu haben. Daß bald nach Constantinus dieser Misbrauch einriß, sehn
wir aus manchen freilich viel zu weit gehenden Gegenbestrebungen und aus
den Mahnungen bedeutender Kirchenlehrer, daß Gott ohne heilige Gesinnung
auch in Jerusalem nicht versöhnt werde2).
5. Der Ungläubige mag aus den Lehrstreitigkeiten in der Kirche seine
Leugnung der Wahrheit oder seine Gleichgültigkeit gegen dieselbe zu rechtfer¬
tigen suchen, der Gläubige, welcher die unerschöpfliche Tiefe der göttlichen
Offenbarung ermisst, wird die Entstehung solcher unvermeidlich, in dem Kampf
ein Mittel zu vertiefterer und festrer Auffassung sehn, so schmerzlich er den¬
selben beklagen muß, wenn er zu andern als zu geistlichen Mitteln greift.
Noch unter Constantinus trat eine der am tiefsten greifenden und in ihren
Folgen bedeutendste, die arianische Streitigkeit ein. Schon lange war
die Trinitätslehre, besonders im Orient, Gegenstand von Zweifeln und Deu¬
tungen gewesen. Nun trat seit 318 in Alexandrien der Presbyter Ar ins
öffentlich mit der Behauptung hervor, Christus sei zwar über alle andern
Wesen unendlich erhaben, aber weder anfangslos, noch mit Gott gleichen,
sondern nur ähnlichen Wesens^). Nach vergeblichen Bekehrungsversuchen
schloß ihn der Bischof Alexander 321 von der Kirchengemeinschaft aus, in¬
des fand er eine zahlreiche Partei nicht blos in Ägypten, sondern im Orient
überhaupt für sich. Der Kaiser, von den ihn umgebenden Theologen, na¬
mentlich den beiden Eusebius^) geleitet, suchte den Frieden herzustcllen,
indem er den Streit für auf unwesentliches gerichtet erklärte, natürlich aber die
Verteidiger der Wahrheit nur zu um so festerem Bestehn trieb. Bei immer
weiterem Umsichgreifen des Streits ward jedoch der Kaiser durch den von ihm
hochgeschätzten Bischof Hostus von Corduba zur bessern Erkenntnis geführt
und berief 325 das erste allgemeine (ökumenische^) Kirchenconeil nach
Nieäa. Es entschied sich gegen Arius und erweiterte das apostolische Glau¬
bensbekenntnis durch einen Zusatz, durch welchen die Wahrheit gegen die
Irrlehre festgestellt und diese selbst mit dem Anathema belegt ward (symbo-
turn Nicaenum). Constantinus verwies Arius und die beiden für ihn sich
erklärenden ägyptischen Bischöfe nach Jllyricn und gebot die Verbrennung von
1) Der Spanier Vigilantius ward von Hieronymus bekämpft; die Antidikoma-
rianiten eiferten rationalistisch gegen den Kult der Jungfrau Maria. — 2) Hieron.
ep. 49. Constantinus und seine Mutter Helena (Auffindung des Kreuzes) ließen
die heiligen Orte Jerusalems mit Kircheu überbaun. — 3) Nicht oi.Loovoi.og, soudcrn
ofioiovGLog. — 4) Der Bischof vou Nikomedien ist mit dem von Cäsarea, dem Ver¬
fasser der Kirchengeschichte und des Lebens Coustautius, nicht 31t verwechseln. Beide
teilten nicht völlig Arius Lehre, nahmen aber einen vermittelnden Standpunkt ein.
— 5) Es sollten naorjg rrjg orAovfisvrjg, worunter man wie unter orbis terra-
rum das Römerreich verstand, die Bischöfe zusammen kommen. 348 erschienen, der
römische war durch einen Abgesandten vertreten.