Justinianus I der Große 526 — 565.
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unbrauchbar Geworduen im coäex llustinianeu« zusammen, welcher 529 mit
des Kaisers Unterschrift als fortan in allen Gerichten giltig veröffentlicht
wurde. Sodann wurden durch sechszehn Gelehrte, wiederum unter Tribo-
nians Vorsitz, die Nechtssätze und Erläuterungen, die in den Schriften der
Juristen aus den alten Nechtsquellen gezogen waren und die letztem selbst aus
dem Gebrauch verdrängt hatten, bis 533 in den vi^esta oder kanäectae zu
einem Ganzen verarbeitet^) und gleichzeitig in den institutiones (4 B.) eine
systematische Übersicht für den Beginn des Rechtsstudiums vollendet'). Die
Veränderungen, welche sich Justinianus zur Beseitigung von Streitigem und
Anpassung an die Zeit zu machen Vorbehalten hatte, wurden durch die Hinzu¬
fügung von fünfzig constitutiones oder decisiones in die vielfach geänderte
zweite Ausgabe des codex (codex repetitae praelectionis) 534 durch¬
geführt ^). Von den spätem kaiserlichen Ergänzungen und Veränderungen,
bei denen Justinianus öfters die Willkür über das Recht fetzte, sind Privat-
sammlungen vorhanden (novellae). Für das Reich hatten diese Arbeiten den
Nutzen, daß den Richtern und Advocaten die Auffindung der Gesetze erleich¬
tert, eine Gleichmäßigkeit in der Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten ermög¬
licht und der Anhalt dazu für alle Folgezeiten gegeben ward, aber sie sind
unverständlich für das Volk und gründen einen vollendeten Despotismus,
indem sie alles auf den Kaiser zurückführen und alles in seine Hand legen.
Hat mm das letztere dazu mitgewirkt, daß die Volksrechte in den meisten
jüngern Staaten durch das römische verdrängt wurden, so ist doch die haupt¬
sächlichste Ursache davon in dem innern Wert desselben zu finden, welcher in
der Vernunftgemäßheit der allgemeinen Grundsätze, der streng systematischen
Zusammengreifung derselben und der durch die lange Erfahrung gewonnenen
Anwendung auf die zahlreichsten Fälle, welche zugleich die beste Erläuterung
bietet (Casuistik), besteht. Der Consulat war zwar schon längst zu einem
bloßen Titel herabgesunken, gleichwol entfernt seine Beseitigung im I. 54t
auch die letzte Erinnerung an die Republik.
3. Den Eifer für das Christentum bewies Justinianus dadurch, daß er
die Philosophenschule zu Athen 529, weil sich die Reste des Heidentums
an dieselbe anklammerteu, aufhob und die Lehrer derselben, sieben zum Teil
hochbetagte Männer, in das Eril trieb H. Was er für die Bekehrung heid¬
nischer Völker (der Heruler und der Mauren) that, ist ehrenwert, aber in
den kirchlischcn (monophysitischeu und origenistischen) Streitigkeiten bewies
er nicht weniger zum Eingreifen in das Kirchenrecht geneigte Herschsucht
und blinde Verfolgungssncht, wie von seinen Umgebungen abhängiges
Schwanken5).
4. Die Partein des Circus (§ 60, 3) hatten bereits so um sich gegriffen,
daß kein Kaiser ununterstützt von einer bestehn konnte; des Kaisers Gunst
Pnblieiernng des codex wurden die drei vorhandnen, der Gregorianische, Hermo-
genianische und Thcodosianische, außer Kraft gesetzt. S. Rein Privatrecht S. 95—99.
— l) 2000 volumina von 39 Rechtslehrcrn waren die Quellen, aus welchen die
mehr als 9000 lege8 znsammengcstellt wurden. Die Arbeit verdient, trotzdem daß
vieles Historische verwischt und der Zusammenhang lückenhaft gelassen ist, das höchste
Lob. >— 2) Das Lehrbuch des Gains diente als Grundlage, doch erfolgte die Bc-
arbcitmig mit Freiheit. — 3) Man bezeichnet die Arbeiten zusammen mit dem
Namen Oorpus iuris. •— 4) Wie wenig sie vonr Leben wüsten, bewiesen sie dadurch,
daß sie nach Persien wanderten, im Glauben dort den platonischen Staat verwirklicht
zu finden. Schmerzlich eirttäuscht wären sie ohne Heimat gewesen, wenn nicht
Kosroes in einer Friedensbedingung ihnen vor: Jrrstinian Straflosigkeit ansgewirkt
hätte. Gibbon S. 1384. — 5) Guerike Kirchengeschichte (5. Ausl.) ü S. 379—383.