Full text: Die Zeit von Christi Geburt bis zum Regierungsantritt Karls des Großen (Bd. 2, Abth. 1)

Nero 54 — 68. 
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Berufes Witten etwas abzubrechen *), wurde er der eitelste und würdeloseste 
Kunstnarr. Seine zügellose Wollust ergieng sich eben so gern in roher Gemein¬ 
heit wie in raffinierter Eleganz und sie, wie die hündische Schmeichelei, die 
ihm bei den größten Abscheulichkeiten zu Teil ward'), führten ihn zur gänz¬ 
lichen Menschenverachtuug und Sittenverderbung^) und zur gefühllosesten 
Grausamkeit, welche aus Laune H mordet Und den Gemarterten nach verhöhnt. 
Man rühmte den Anfang seiner Regierung (quinquenniurn Neronis) und 
schrieb dies dem Einfluß des Burrus und Seneca^) zu, aber in Wahrheit 
war, was ihn seine bösen Neigungen0) hervortreten zu lassen abhielt, die 
Furcht vor seiner Mutter und das Widerstreben ihr eine Herschaft über sich 
einzuräumeu'H, und jene beiden waren schwach oder blind genug bei dem 
Nachgeben gegen des kaum 17jährigen Kaisers Lüste und bei ihrem Entgegen¬ 
treten gegen der Mutter Herschsucht nicht zu sehn, wie sie das Böse nährten 
und ungeahnte schreckliche Folgen herbeiführten8). Das römische Volk freute 
sich, als die Abstellung von Misbräuchen erfolgte und eine freiere Bewegung 
dem Senat gegeben ward"), auch fand man schlimme Vorgänge in der Kai¬ 
serfamilie sogar zur Behauptung der Negierung nützlich und natürlich. Daß 
Agrippina der Buhlschaft mit der Freigelassnen Aete entgegentrat, reizte den 
Sohn gegen die Mutter so, daß er Seneca's Vorstellungen gegen deren Hersch¬ 
sucht Gehör gab. Als es ihr nicht gelang durch schamlose Erniedrigung sein 
Herz wieder zu gewinnen, drohte sie mit Britanniens Erhebung, den sie doch 
selbst vom Throne verdrängt hatte. Durch ein von Locusta bereitetes Gift 
räumte Nero 55, kaltblütigste Ruhe heuchelnd, den gefürchteten Nebenbuhler 
beim Mahle aus dem Wege und beschönigte sogar die Versagung des dem 
Range entsprechenden Begräbnisses^). Man erkannte auch die Absicht nicht, 
um welcher willen er verschwenderische Freigebigkeit übte"); man beachtete 
nicht, daß die Delatoren sich wieder regten, da man manche Beispiele ver¬ 
geblicher Anklagen sah"), ja man vernimmt noch keine Entrüstung darüber, 
daß der Kaiser in den Nächten auf den Straßen der Hauptstadt die ärgerlich¬ 
sten Streiche verübte"), man sah doch das Bild einer geordneten Staatsver¬ 
waltung und der Übung von Recht"). Weit schlimmer ward es mit Nero, 
1) adnotabant seniores — primum ex eis, qui rerum potiti essent, Neronem 
alienae facundiae (Seneca fertigte seine Reden) eguisse Tac. a. a. O. — 2) qui¬ 
cumque casus temporum illorum nobis vel aliis auctoribus noscent, praesumptum 
habeant, quotiens fugas et caedes iussit princeps, totiens grates deis actas, quaeque 
rerum secundarum olim tum publicae cladis insignia fuisse Tac. a. X1Y 64. Vgl. 
hierzu auch XIII 12. •—> 3) comperi persuasissimum habuisse eum: neminem homi¬ 
nem pudicum aut ulla corporis parte purum esse, verum plerosque dissimulare 
vitium et callide optegere: ideoque professis aput se obscenitatem cetera quoque con¬ 
cessisse delicta Suet. Ner. 29. — 4) Ich finde keinen Beleg dafür, daß Nero, um 
Güter eiuzuziehn, Hinrichtungen verfügt habe. — 5) Wir wollett nicht Seneca eine 
Schuld daraus machen, daß Philosophische Moral nie das Herz umzuwandelu ver¬ 
mag, auch nicht ihm als Heiden zu hoch anrechuen daß er nach Ehre, Macht und 
Reichtum strebte, selbst nicht das im Texte Erwähnte, wenn er dadttrch Schlimmeres 
verhüten wollte, aber zum Werkzeug bei schrecklichen Verbrechen, wie beim Mutter- 
morde, durfte er sich in keinem Falle hergeben. — 6) principis abdita adhuc vitia 
Tac. a. XIII 1. vgl. 47. — 7) Tac. a. XIV 13 a. E. — 8) quo facilius lu¬ 
bricam principis aetatem, si virtutem aspernaretur, voluptatibus concessis retinerem 
Tac. a. Xill 2. Daß sie den Sohn abhielten äußerlich die Pietät gegen die Mrttter 
fallen zu lassen s. XIII 2 u. 5. — 9) Tac. a. XIII 4. 5. IO. — 10) Tac. a. XIII 
12-17. — 11) Tac. a. XIII 18. — 12) Tac. a. XIII 18 — 23. — 13) Tac. a. XIII 
25. 47. — 14) Tac. a. XIII 28 — 34. Bei den Verurteilungen von Statthaltern, 
welche Bedrückung geübt, kann mau in spätrer Zeit als Motiv ansehn, daß Nero 
solche Dinge nur sich erlaubt betrachtete. Wie sehr er von Eitelkeit beherscht war,
	        
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