Full text: Die Zeit von Karl dem Großen bis zu den Kreuzzügen (Bd. 2, Abth. 2)

©>ie Erneuerung d. röm. Kaisertums. — Karls d. Gr. Thätigkeitim Innern d. Reichs. 17 
4. Das Kaisertum, wie es durch Karl den Großen aufgestellt ward, ist 
von dem römischen wesentlich verschieden. Denn wenn es auch als die von 
Gott verliehne höchste Gewalt betrachtet und geltend gemacht wurde — 
weshalb Karl 803 durch Sendboten von allen Bewohnern einen neuen 
Huldigungseid, der höhere Pflichten für ihn in Anspruch nahm, schwören 
ließ H —, so war es doch nicht despotische Allgewalt, sondern blieb auf den 
historisch entwickelten germanischen Verfaßungsverhältnissen beruhen, und 
beaufsichtigte, lenkte, richtete nur die freie Bewegung in den engern Kreisen, 
um sie in Übereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz zu erhalten. Keine 
Aushebung des Individuellen und Nationalen, sondern nur die Einigung des 
Verschiedenartigen durch ein höheres Band lag in seinem Wesen. Und dieses 
Band gibt die christliche Kirche, deren Schirmer und Bewarer der Kaiser ist. 
Von ihr hat er die göttliche Maiestät, von ihr empfängt er aber auch streng 
bindende Richtschnur und Bedingung. Noch steht er über der Spitze der 
Kirche, aber er ist nicht deren Oberherr, nur der Leiter und Bestätiger von 
deren Beschlüssen. Wie in dem übrigen ist auch hier seine Stellung abhängig 
von der Art, wie er sie geltend zu machen vermag. Darin daß der Papst die 
Krone im Namen der Kirche verleiht, liegt ein Anspruch, der in Conflicten 
bis zum Rechte der Wiedereutziehung gesteigert werden muß, wärend die 
weltliche Unterthänigkeit jenes denselben zurückweist. Die Kaiserkrönuug 
Karls des Großen ist das bedeutendste Moment zur geschichtlichen Ent¬ 
wicklung des Mittelalters, mit ihr ist dasselbe erst vollständig ins Leben 
eingetreten 2). 
Karls der Großen THAigkeit im Amern des Reichs. 
8 88. 
A. Verfaßung und Verwaltung. 
1. Die Art und Weise, wie Karl der Große auf germanischen Grund¬ 
lagen die Keime eines Staatswesens legte, welche die härtesten Stürme über¬ 
dauerten und wenn auch spät die herlichsten Blüten und Früchte trieben, 
bringt ihm höhern Ruhm, als seine glänzendsten Kricgsthaten. Zwar war 
die Lösung der Aufgabe schon von seinen Vorfahren angebahnt, zwar war 
der Weg dazu unverkennbar vorgezeichnet, aber wir wissen trotzdem nicht, 
sollen wir mehr die tiefe Erkenntnis dessen, was fruchtbar zu werden ver¬ 
sprach, und die besonnene Mäßigung in der Behandlung dessen, was seinen 
Absichten offenbar noch widerstrebte, bewundern, oder die Erhabenheit der 
neuen Ideen und die Weisheit, mit welcher er jenes denselben unterzuordnen 
und dienstbar zu machen bestrebt war. Ohnehin war die Aufgabe durch das 
Hinzutreten neuer Volkstümlichkeiten und die größere Bedeutsamkeit der 
Verhältnisse nach außen erschwert. Karl der Große legte die Gesetz¬ 
gebung in die Hand des Königs (Kaisers). Die bei den einzelnen 
Völkerschaften bestehenden Rechtsgewohnheiten und Gesetze abzuschaffen war 
unmöglich, wenn nicht heillose Verwirrung entstehen und an die Stelle des 
1) Giesebrecht Gesch. d. d- K. 1 1 S. 116. — 2) Welches Gewicht Karl der 
Große auf seinen Kaisertitel legte, erhellt aus jcuem Friedeu mit Byzauz 812, in 
welchem er für die Auerkeunung desselben nicht unkbcuteube Opfer brachte (§ S6, 
12 a. E-). Wie er aber die ihm damit zufalleude Pflicht auffaßte, geht daraus 
hervor, daß er nach der Krönung seltner selbst in den Krieg zog, sich vorwiegend 
der Ordnung und inuern Regierung des Reichs widmete. 
Dietsch, Lehrbuch d. Geschichte. II. Bd. 2. Abth. 2. Aufl. 
2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.