Die bildenden Künste. — Das oströmische Reich. 385
weniger Nachahmung. Im zehnten Jahrhundert entstanden in England
die B aubrüd erschaften: nächst den Mönchsorden die erste Spur vom
Geist freier Association, welcher eine charakteristische Eigentümlichkeit des
Mittelalters ist. Die Kunst wurde von ihnen in zunftmäßiger Abschließung
unb Absonderung gelehrt und geübt. Die Vorteilhaftigkeit veranlaßte die
Verbreitung in andere Länder und bald entstanden nach ihrem Vorgänge
auch für andre Gewerbe Zünfte und Innungen. Die Bildnerei trug viel
bereits zur Ausschmückung der Kirchen und Gräber bei, doch nahm man auch
Kunstwerke des klassischen Altertums, oft nur mit geringer Umgestaltung, in
die Stätten christlicher Gottesverehrung herüber. Die Malerei gewann in
den westlichen Ländern durch Künstler, welche in Folge des Bilderstreits aus
dem byzantinischen Reich geflüchtet waren, lebhaftere Betreibung. In allen
Werken, besonders auch in den Bildern und Einbänden der mit äußerster
Sauberkeit und Sorgfalt geschriebnen, besonders der zum religiösen Gebrauch
bestimmten Bücher überwog die Kostbarkeit des Stoffes und der Arbeit meist
noch das Streben nach Schönheit.
Das oströmische (dlMntilnsche, griechische) Reich.
8 119.
1. Was Abt. I § 60, 1 S. 209 über die Geschichte des byzantinischen
Reichs im allgemeinen gesagt war, hat in dem dort § 79 S. 290 — 94
erzählten Bestätigung gefunden, bestätigt sich auch vollkommen in der hier
zu behandelnden Periode. Wir endeten unsere Erzählung mit dem Sturz der
Wiederherstellerin des Bilderdiensts, der verbrecherischen Kaiserin Irene.
Der Vollzieher desselben, Nikephoros I (802— 11) bewies sich als einen
habsüchtigen, mistrauischen, Verdienst um das Reich, wie um seine Person
mit schnödestem Undank lohnenden Tyrannen. Als er, nachdem er in Asien
eine schwere Niederlage durch die Araber erlitten, gegen die Bulgaren ins
Feld gezogen war, wurde er in einer blutigen Schlacht nicht allein besiegt,
sondern auch gelobet. Sein dem Gemetzel entronnener Sohn Staurakios
erhielt die Anerkennung als Kaiser, allein das Hinsiechen aus der vom Felde
heimgetragnen tödlichen Wunde hielt ihn so wenig von Ausübung despotischer
Laune ab, daß der Gemal seiner Schwester Prokopia ihn noch vier Tage vor
seinem Tod entthronte. Dieser Michaeli Rhangabe (811—13) verscherzte
sich durch seinen unkriegerischen Sinn unb die Anmaßungen seines herschsüchti-
gen Weibes die Zuneigung der Soldaten. Das gegen die Bulgaren mit Un¬
glück fechtende Heer glaubte sich im Stich gelaßen und verraten und zog empört
gegen die Hauptstadt. Da bewies Michael nicht erwartete Hochherzigkeit,
indem er, obgleich das Volk seinen Thron zu verteidigen bereit war, um
Blutvergießen zu verhüten, freiwillig ins Kloster gieng, wo er noch länger
als zweiunddreißig Jahre in stillster Abgeschiedenheit lebte. Der zum Kaiser
erhobne Leo V der Armenier (813 — 20) verstand in Asien die Moslimen
im Zaum zu halten. Dagegen gelang ihm der treulose Überfall des bis vor die
Thore der Hauptstadt vorgedrungnen Bulgarenkhans Krum nicht und eben
so wenig die Verhinderung der furchtbaren Nachnahme an den unschuldigen
Bewohnern des Landes. Selbst eine durch List ihm beigebrachte Niederlage
stillte die Wut des grimmen Feindes nicht, bis er 815 starb und sein Nach¬
folger, weil er von Westen burd) die Franken sich bedroht und angegriffen
sah, auf dreißig Jahre Frieden schloß. Die militärische Strenge, welche Leo
in die Verwaltung einführte, vertrug sich trotz ihrer Heilsamkeit doch zu
Dietsch. Lehrbuch d. Geschichte. U. 8b. 2. Abth. 2. Aust. 25