I. Kapital, Kapitalzins und Einkommen.
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offenbar unermeßliche Kapitalien verschlungen. Jahrzehntelange Durch Kriege.
Friedenszeit und anstrengende Arbeit konnten sie mit zum Teil er¬
setzen. Das Angebot von Barkapitalien sank also, da jeder sein
Geld selber notwendig brauchte. Die drei letzten deutschen Kriege
(1864 der dänische, 1866 der deutsche, 1870—71 der deutsch-franzö¬
sische) haben, trotzdem sie für unser Vaterland überaus glücklich ver¬
liefen, doch viele Tausende Landwirte und Gewerbetreibende in
ihren wirtschaftlichen Verhältniffen zurückgebracht. Wieso? Wobei
zeigen sich ähnliche, wenn auch nicht so große Kapitalzerstörungen?
(Bei Feuersbrünsten, Überschwemmungen, Hagelwettern, Mißernten).
Sie bewirken mit, daß der Zinsfuß 3'/2—4Vs pCt. nicht über¬
schreitet.
eo. Einen sehr großen Teil von Kapitalien nimmt jetzt der Durch Anleihen.
Staat durch Anleihen für sich in Anspruch. Ich will das durchaus
nicht als einen Fehler der betreffenden Staatsregierung hinstellen,
besonders wenn sie die Gelder zu wirtschaftlichen Zwecken verwendet,
z. B. zur Anlage kostspieliger Bergwerksentwässerungen. (Rotschön¬
berger Stollen im Königreich Sachsen). Auch zur Herstellung
von Eisenbahnen, Stromregulierungen und Kanälen sind Staats¬
anleihen sehr wohl erlaubt. Der ordentlich verwaltete Staat ist
allein imstande, großartige Bauten zu führen, da er den meisten
Kredit besitzt. So haben Deutschland, Schweiz und Italien ge¬
meinsam den Gotthardtunnel erbaut. — Anders liegen die Sachen
bei leichtsinnigen Staatsanleihen (Türkei, Ägypten). Hier werden
zwar hohe Zinsen versprochen, um Dumme anzulocken, aber nicht
gezahlt. In allen Füllen wird aber durch Staatsanleihen ein über¬
mäßiges Steigen des Zinsfußes verhindert, denn die solide Regie¬
rung zahlt nur landesübliche Zinsen und die unsolide gar keine oder
doch weniger.
ää. Wir können Deutschland ohne Uebertreibung zu den wirt- Durch aus-
schaftlich hochstehenden Ländern Europas rechnen, sowohl auf land- ländische Wert¬
wirtschaftlichem, als auch auf gewerblichem Gebiete. Der Zinsfuß Papiere,
ist ja auch ein durchaus niedriger. Die Folge davon ist allerdings,
daß eine Anzahl Kapitalisten ihr Geld in auswärtigen Wertpapieren
stecken haben (russische, rumänische, nordamerikanische). Ob sie da¬
mit im wirtschaftlichen und vaterländischen Sinne recht handeln, läßt
sich nicht so ohne Weiteres sagen. Jedenfalls muß der Besitzer sorg¬
fältig auf die Zeichen der Zeit achten. Es hat schon mancher, der
unvorsichtig derlei Papiere kaufte, sich ruiniert.