Full text: Bilder aus der schleswig-holsteinischen Geschichte

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21. Gerhard der Große. 
Im Anfänge des 14. Jahrhunderts stand in Rendsburg hart an der 
Eider und znm Theil über dem Wasser ein hölzerner Kornspeicher. Eine 
ärmliche Kammer dieses Gebäudes bildete das Wohnzimmer eines Jüng¬ 
lings, der mit allem Fleiß dem Studium der Wissenschaften oblag. Ein paar 
graue Jagdhunde theilten treu und anhänglich seine Einsamkeit und bildeten 
seinen ganzen Reichthum. Und doch war der junge Mensch der Sohn des 
Grafen Heinrich I., der bis zu seinem Tode 1305 die Hälfte des Rends- 
burger Antheils von Holstein beherrschte. Es war Gerhard, die Geißel 
Dänemarks, der sich später den Beinamen des Großen erwarb. 
Sein Großvaterbruder mütterlicher Seite, der Erzbischof von Bremen, 
mochte den Entschluß, sich dem geistlichen Stande zu widmen, in ihm erzeugt 
oder unterhalten haben; denn bei diesem hatte er einen Theil seiner Jugend 
verlebt. Das väterliche Erbe war überdieß klein und seinem altern Bruder 
Johann bestimmt; für ihn, den zweiten Sohn, schien es gerathener, auf eine 
wichtige Bischofsstelle zu speculiren und dadurch die Fortsetzung der schäd¬ 
lichen Landestheilungen zu verhüten. 
Hartwig Reventlow aber, ein reicher dithmarsischer Edelmann, der 
sein ganzes Geschlecht nach Holstein hinübergesührt hatte, weil ihm die 
Bauernsreiheit ein Dorn im Auge war, dachte anders in dieser Sache. Er 
erkannte in dem zurückgesetzten Jünglinge die Keime des großen Mannes, 
und es ward ihm leicht, den Sinn desselben in andere Bahnen zu lenken. 
Da der junge Gras Nichts hatte, wovon er einen gräflichen Staat führen 
konnte, so versorgte er ihn mit Pferden und Waffen, wie mit Allem, was 
erforderlich war, wenn er mit Anstand als Graf öffentlich erscheinen wollte. 
Gerhard entsagte seinem geistlichen Stande, machte seinen Anspruch auf die 
Mitregierung des väterlichen Erbes geltend und offenbarte bald glänzend 
seine Talente zum Krieger und Staatsmann. Durch welche Schule Hartwig 
seinen Schützling führte, zeigt das Verfahren Gerhards gegen seine Vetter 
aus' der Kieler Linie. 
Adolf Y. war 1308 in Segeberg ohne Erben gestorben und der 
wagrische Landestheil, der Johanni, zugefallen\ war nun wieder in der 
Hand eines einzigen Mannes, des Grafen Johann II., der in Kiel wohnte. 
Um seinen vier Söhnen einen anständigen Unterhalt zu geben, fing dieser 
Herr an, seine Länder schon bei seinen Lebzeiten zu vertheilen. Johann be¬ 
kam Bramstedt und Plön. Ricoknus erhielt Oldesloe, Adolf YI. Segeberg. 
Die beiden ersten Söhne starben früh, schon vor 1312; ihr Land scheint an 
Adolf gefallen zu sein. Der Vater behielt für sich nur Kiel und was dazu 
gerechnet wurde. Dieser Antheil war für den vierten Sohn, Christoph, be¬ 
stimmt; er hat ihn aber nicht erhalten, weil er vor dem Vater ums Leben 
kam. Er stürzte nämlich in dem Schlosse zu Segeberg, oder wie Andere 
wollen, in Kiel aus einem sehr hohen Fenster in den Schloßgraben hinab 
und verlor durch den Fall das Leben. Johann II. und sein Sohn Adolf 
herrschten also jetzt allein über den wagrischen Antheil. Der Vater wohnte 
in Kiel, der Sohn auf dem Schlosse in Segeberg. 
Adolf YI. war ein etwas übermüthiger Herr, der gerne Gewalt, auch 
gegen mächtige Vasallen übte. So schickte er unter anderm seine Drescber
	        
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