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wurde eine Provinzialversammlung für alle deutschen und slavischen Völker,
welche an den Grenzen wohnten, ausgeschrieben. König Waldemar kam
selbst herüber und führte Beschwerde über die Angriffe der Slaven. Die
Slaven, welche sich ihres Verbrechens bewußt waren, scheuten sich, vor dem
Herzog zu erscheinen. Heinrich, dadurch aufgebracht, erklärte sie für fried-
brüchig und unwerth seines Schutzes. Auch befahl er den Seinigen, sich gegen
die Zeit der Ernte zum Feldzuge bereit zu halten. Fürst Niklot, von Allem
Wohl unterrichtet, beschloß ihm zuvor zu kommen und Lübeck vorher zu über¬
rumpeln. Seine Söhne wurden mit dem Ueberfall beauftragt.
Nun wohnte zu Lübeck, nahe an der Brücke, unter welcher die Wakenitz
gegen Süden durchfließt, ein in jeder Hinsicht ehrwürdiger Priester, Na¬
mens At h elo. Als nun die feindlichen Haufen herbeischlichen, um die Brücke
zu besetzen, bemerkten es die Leute des Priesters; auf ihr Geschrei eilte
Athelo selber herbei. Ohne Zeitverlust lief der muthige Mann dem Feinde,
der schon die Brücke betrat, entgegen. Nur mit genauer Noth konnte er die
Kette ergreifen und die Brücke ausziehen. — Die Stadt war gerettet; dem
entschlossenen Priester ward seine rühmliche That später durch eine würdige
Belohnung vergolten. Der Herzog aber säumte nicht, durch ausgestellte Wa¬
chen die Stadt vor einer ähnlichen Ueberrumpelung zu sichern.
Nicht lange hernach (1162) griff er das Land der Slaven mit ansehn¬
licher Kriegsmacht an und verwüstete es mit Feuer und Schwert. Niklot
verbrannte, um Belagerung zu verhüten, fast alle feine festen Schlösser, nur
W er le an der Warnow nicht. Von hier aus leitete er den Widerstand gegen
den Herzog und den König Waldemar, der mit einer Flotte zur Unterstützung
herbeigekommen war. Bei einem Ausfall kam endlich Niklot ums Leben
und sein abgeschnittenes Haupt wurde auf einer Stange durch beide Lager ge¬
tragen. Das ganze Obotritenland wurde erobert und von dem Herzog an
feine Mannen verliehen. Niklots Söhne, Wertislaus und Pribislaus, die
Ahnen der jetzigen Großherzoge von Mecklenburg, behielten nur das Schloß
Werle und die Umgegend, unweit der Stadt Rostock, das von den Einwoh¬
nern verlassen war und von Waldemar verbrannt Hürde. So drang das
Sachsenthum endlich auch in Mecklenburg siegreich ein, und wenn Waldemar
auch nicht den geringsten Antheil an dem eroberten Lande davontrug, so erntete
er dennoch großen Gewinn; denn an der ganzen Wendenküste, die in nächster
Nähe ganz Dänemark bedrohte, war jetzt kein Raubschloß mehr zu fürchten.
König Waldemar war von Friedrich Barbarossa eingeladen worden, nach
Besancon auf die Kirchenversammlung zu kommen (1163), auf welcher der
Streit zwischen den beiden sich gegenseitig verfluchenden Päpsten Alexander
und Victor entschieden werden sollten Den König reizte vor Allem der aus¬
gezeichnete Anlaß, die Welt und ihre wichtigsten Männer zu sehen. Mit ei¬
nem ansehnlichem Gefolge trat er die Reise an.
Bei der Ankunft des Königs an der Eider erwartete ihn dort ein unbe¬
kannter Ritter des Grafen Adolf. Als man ihn fragte, ob er gekommen
fei, sie zu begleiten, antwortete er: „Mein Herr ist persönlich in der Nähe
und erwartet den Uebergang des Königs über die Eider." Die Begleiter des
Königs äußerten ihr Mißtrauen; dennoch fetzte Waldemar augenblicklich
über die Brücke, und sein Gefolge eilte ihm nach. Gleich darauf kam ihnen
Adolf entgegen und begrüßte den König auf die freundschaftlichste Weise.