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nach Neumünster bringen. Eine Lähmung hinderte ihn hier noch längere
Zeit, seine geistlichen Geschäfte zu verrichten. Sobald er wieder zu Kräften
kam, reiste er nach Bremen, um den Erzbischof und die Domherren über den
Antrag des Herzogs zu befragen. Alle riethen ihm einstimmig, den Antrag
auszuschlagen. Er möchte doch die Ehre der Geistlichkeit nicht preisgeben
und die großen Gerechtsame der Kirche schmälern, hieß es. Was es denn
wäre, wenn nun der Zorn des Herzogs wider ihn entbrennen würde. Es
sei besser sein Gut, als seine Ehre zu verlieren. Er habe doch wenigstens
seine Kirche in Neumünster, wo er sicher sein und ruhig erwarten könne, was >
Gott über ihn beschlossen habe. Durch dergleichen Gründe brachten sie den
guten Bischof zu dem Entschluß, dem Willen des Herzogs nicht zu folgen.
Aber die gütersatten, ehrgeizigen Herren hatten gut reden. Vicelin und
seine junge Pflanzung hatten darunter zu leiden, namentlich, da selbst der
Erzbischof es an der gehörigen Unterstützung fehlen ließ und dem Kloster zu
Neumünster sogar Einkünfte entzog, die er demselben früher angewiesen
hatte. Auf diese Weife gereichte das Bisthum dem Vicelin mehr zur Last
als zur Lust. Indessen that er Alles, was ihm Zeit und Umstände erlaub¬
ten. Er visitirte die Kirchen seines Sprengels und theilte den Leuten seine
geistlichen Gaben mit, wenn sie ihm auch die zeitlichen vorenthielten. In
B ornh ö v ed, wo sein Freund Markrad, einer der Angesehensten des Lan¬
des, wohnte, ließ er aus Feldsteinen, die durch Kalk verbunden wurden, ein
neues Gotteshaus aufbauen, das noch heute steht. Dann besuchte er Lübeck,
um dessen Bewohner im Glauben zu stärken, und weihete daselbst einen
Altar. Von da ging er nach Old enburg, wo er die Götzendiener zur An¬
nahme des Christenthums zn bewegen suchte. Sie wollten aber nicht;
jedoch erlaubten sie es ihm, auf seine Kosten ein Haus zum Gottesdienste
aufzuführen.
Vicelin erkannte endlich, was er gleich Anfangs hätte einsehen sollen,
daß ohne die Unterstützung der Fürsten fein Werk nur sehr langsam fort-
schreiten könne. Er wandte sich daher wieder an den Herzog, der sich eben in
Lübeck aufhielt, und bat ihn um Unterstützung. ,,Jch will dein Werk gerne
fördern," sagte der Herzog, „aber ich kann es nicht, so lange du mir eigen¬
sinnig die schuldige Ehre verweigerst." Vicelin antwortete: „Ich bin bereit,
mich um Jesu willen einem deiner Vasallen zum Eigenthum zu übergeben;
wievielmehr dir selbst, dem Gott unter allen deutschen Fürsten das größte
Ansehn und die größte Macht verliehen hat." Er ließ geschehen, was
nicht zu ändern war, und empfing jetzt die Investitur aus den Händen des
Herzogs.
Von Stund an ward der Herzog sein Gönner und Beschützer. Zuerst
gab er ihm das Dorf Bosau, das auf einer Halbinsel am Plöener See lag,
mit Allem, was dazu gehörte, damit er mitten in Wagricn eine Kirche bauen
könne. Vicelin ging nun selbst dahin und wohnte'dort so lange unter einer
mächtigen Buche,, bis einige Hütten zur Wohnung fertig waren. Er machte
den Anfang mit dem Bau einer Kirche, die er dem Andenken des heiligen
Petrus widmete, und ließ endlich allen Hausrath und die nöthigen Acker-
geräthe von Neumünster und Högersdorf dahin bringen. Graf Adolf hatte
auf Ansuchen des Herzogs die Schenkung gebilligt und erklärte, daß er
ihm fortan auch die Hälfte des Zehnten zu seinem Gebrauch überlassen wolle.