Das Römerreich.
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um die Nachforschung von sich abzulenken. Aus Liebe zu seiner schönen Gemahlin Eppo-
nin a blieb er jedoch in Gallien, trotz der bei einer Entdeckung ihm drohenden Gefahr und
suchte Zuflucht in einer unterirdischen Höhle, wo er neun Jahre lang von seiner treuen
Gattin gepflegt wurde und sie sogar einmal in verstellter Tracht nach Rom begleitete, als
sie den Versuch machte, seine Begnadigung zu erwirken. Vespasian blieb aber unversöhn¬
lich ; und als durch einen Zufall der geheime Aufenthalt entdeckt wurde, ließ der harte Fürst
nicht nur den Sabinus, sondern auch die Gattin, die durch Vorwürfe seinen Zorn gereizt,
mit dem Tode bestrafen, ungerührt von solchen Beweisen ehelicher Liebe und Treue.
§. 221. Auf den einfachen, von altrdmifcher Gesinnung beseelten Ves-
pasian folgte sein Sohn Titus, der nach seiner Thronbesteigung die Fehler
und Sünden seiner Jugend ablegte und ein so edler Fürst wurde, daß man 7!)-81-
ihn die „Liebe und Wonne des Mensch enges chlechts" nennen konnte.
Er ließ Angeber und Spione mit Ruthenstreichen aus Rom treiben und er¬
leichterte durch Mildthätigkeit die harten Geschicke, die ein furchtbarer Aus¬
bruch des Vesuv ius*) über die Städte Herculanum, Pompeji und
Stabia, und Brand und Pest über Rom brachten. Von seinem Kunstsinn
geben noch jetzt die großartigen Trümmer der Bäder des Titus Zeug-
niß. — Aus Rücksicht für die Vorurtheile des römischen Volks, das an einer
ausländischen Kaiserin Anstoß nahm, schickte er seine jüdische Gemahlin
Berenike in ihre Heimath zurück.
*) Dieser Ausbruch, bei dem der wißbegierige Naturforscher Plinius der
Aeltere seinen Tod durch den Qualm fand, ist von dessen Neffen, Plinius dem Jün¬
gern, dem Freunde und Lobredner Trajans in zwei Briefen an den Geschichtschreiber
T aci tu s beschrieben worden. Die vor etwa 100 Jahren begonnene Ausgrabung dieser
verschütteten Städte, namentlich P omp eji's, war für die Kunde desAlterthums wie für
den Kunstgeschmack unserer Tage von der höchsten Wichtigkeit. —
Leider folgte nach einer kurzen Regierung dem edeln Fürsten sein grau- (.zu.
samer Bruder Domitianus, ein finsterer, menschenfeindlicher Tyrann und Domuian
ein feiger Wüstling, der Roms kriegerischen Ruhm so schändete, daß er den
Frieden von den Marko mannen und Da eiern durch Jahrgelder erkaufte.
Nur auf Thierkämpfe, Fechterspiele und rohe Genüsse bedacht, erstickte er alle
edlern Regungen in seiner stolzen, despotischen Natur, lieh sein Ohr boshaften
Angebern, Schmeichlern und Spionen und ergötzte sich an Foltern und Hin¬
richtungen. Zuletzt wurde er von den Dienern und Genossen seiner Gräuel-
thaten, auf Anstiften seines lasterhaften Weibes Domitia, ermordet und ein
alter Senator von mildem, würdigem Charakter, Coccejus Nerva, auf den
Thron erhoben. Um die zunehmende Verwilderung der Prätorianerzu zügeln,
adoptirte er den thatkräfligen, durch königliche Gestalt und heroisches Wesen
zum Herrschen geschaffenen Spanier Ulpius Trajanus, der sich durch seine
innere Negierung den Beinamen des B esten, durch seine Kriegsthaten den
Ruhm des größten Imperators verdiente. Er sorgte für unparteiische Rechts¬
pflege, verlieh dem Senat wieder einige Macht, gründete Erziehungs- und
Versorgungsanstalten (Waisenhaus), erleichterte Handel und Verkehr durch