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Untergang der alten Welt.
die Palast- und Ncsidcnzrevoluti'onen einwirkten. Kaiser Zeno suchte durch ein zweideutig
und unbestimmt abgefaßtcs Glaubensgcseh (Henotikon) 482 die Spaltung zu heben,
allein von beiden Seiten gleich geschmäht und von den strengen Monophysiten verworfen,
vermehrte es nur den Hader und die Spaltungen. Doch erlangte die monophysitische An¬
sicht von Einer Natur nie kirchliche Geltung. Nachdem Justinian vergeblich gesucht, durch
einige Zugeständnisse die Spaltung zu heben, trennten sich die Monophysiten von der katho¬
lischen Kirche und bildeten ein eigenes Kirchenwesen, dem angehörtcn: 1) die ägyptische
Nationalkirche der Kopten; 2) die Armenier; 3) die Jacobiten in Syrien und
Mesopotamien. — Kaiser Heraclius (seit 622) suchte die Monophysiten in Armenien
und Syrien der Kirche wieder zu gewinnen, indem er ein Glaubensgesetz verkündigen ließ,
„daß trotz der zwei Naturen doch nur eine Willensäußerung in Christo statt finde."
Dieses Gesetz erzeugte neue Kämpfe und Spaltungen. Die Anhänger desselben (Mono-
Lheketen) wurden von dem römischen Bischof verdammt, und wenn auch Kaiser Con-
stansll. (648) den Bischof M artin I. von Rom entsetzt nach Constantinopel führen
und im Elend sterben ließ, die sechste ökumenische Synode von Constantinopel
erklärte die Lehre von zwei Willensäußerungen, als den zwei Naturen entsprechend, für
rechtgläubig. Bon der Kirche ausgestoßen und von den Kaisern verfolgt erhielten sie sich
unter dem Namen Maronitcn auf den Berghöhcn des Libanon unter einem eigenen
Patriarchen, treu dem Bekenntniß von Einem Willen in Christo. — In dem von
griechischer Cultur und Spitzfindigkeit entfernten Abendlande fanden diese Speculationen
keinen geeigneten Boden. Als zwei spanische Bischöfe die nestorianische Meinung, „daß
Christus nach seiner menschlichen Natur blos durch Adoption der Sohn Gottes sei,"
aufnahmen und ausbildetcn, wurden sie durch Alcuin bekämpft und unter Karl dem
Großen auf zwei Synoden verdammt und zum Widerruf gezwungen. Und war auch dieser
Widerruf weder aufrichrig noch ausdauernd, so fand doch die Ansicht der Ad op tian er
„zu wenig Anklang im Zeitalter, um nicht mit den Urhebern abzusterben."
tz. 250. Marcians (§. 239.) fünfter*) Nachfolger war Justinian,
ein Mann von niedriger Herkunft, dessen Regierung nach Innen und Außen
epochemachend ist. Er ließ durch seinen Minister Tribonian und eine An¬
zahl angesehener Rechtsgelehrten die unter dem Namen Corpus juris be¬
kannte Sammlung von Gesetzen und Rechtsbestimmungen Unfertigen**) und
reformirte die Rechtsschulen; er bändigte den Uebermuth der Factionen der
Rennbahn, die einen Aufstand gegen ihn erregt hatten, indem er 30,000
Grüne niederhauen und denHippodrom schließen ließ; er verschaffte sich durch
List Seidenraupen aus China und verpflanzte den Seidenbau nach Europa;
er hob Handel und Industrie durch Anlegung von Straßen und durch Be¬
förderung des Verkehrs und der Betriebsamkeit; er legte Kirchen (Sophien¬
kirche) und Prachtgebaude an, befestigte das Reich durch Burgen (Castelle)
längs der Donau und beschützte die katholische Glaubenslehre über die Natur
Christi gegen die abweichenden Ansichten der Monophysiten, Arianer
und anderer Häretiker (Ketzer), die er verfolgte. Nur auf Befriedigung
seiner Herrschsucht, seines Stolzes und seines Ehrgeizes bedacht, suchte er
dem Kaiserthron allein alle Macht und alles Ansehen beizulegen; er vernich¬
tete die letzten Spuren republikanischer Einrichtungen, wie das Consulat,
und führte, da seine Prachtliebe und Verschwendung, wie seine Kriege und
Regierungsweise unermeßliche Staatsausgabcn nöthig machten, ohne Rücksicht