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92 Die Zeit der Gegenreformation.
sondern aus fremden Mittheilungen schöpfte, so verfiel er in Irrthum und Täu¬
schung. Nach einer 42jahrigen Regierung, die das Grab der spanischen Freiheit
ward und dem Fluch der Völker keine segensvolle Anordnung, kein menschen¬
beglückendes Werk entgegen zu halten vermochte, erlag er einer entsetzlichen
Krankheit. Unbeweint sank er von seiner einsamen Höhe in die kalte Marmor-
1598. gruft seiner stolzen Prachtkirche in Escorial. — Der Glanz, den Spanien
unter Philipps Vorgängern erlangt, dauerte freilich noch fort; spanische Kunst
und Literatur entzückten und belehrten noch die Welt; spanische Sprache und
Mode überschritten noch weit die Pyrenäen; aber es war nur die Nachblüthe,
der Grund dieser hohen Cultur war von andern gelegt worden; unter ihm ver¬
dorrten allmählich die Wurzeln. Wie konnten Künste und Wissenschaften, die
Werke eines freien Geistes unter einem Fürsten blühen, der Inquisition
und Jesuiten begünstigte und an den Schrecknissen der Autos da sc Ge¬
fallen fand?
§. 520. Der Frieden von CHateau - C ambresis 1559. Ob¬
gleich Philipp II. mit dem Eifer eines bigotten Ordensbruders der römischen
Kirche die verlorene Herrschaft wieder zu gewinnen strebte, so war es doch
gerade das Oberhaupt der Kirche, der leidenschaftliche Paul IV., der im
Bunde mit Heinrich II. von Frankreich die Spanier aus Italien zu verdrän¬
gen und einen Theil ihrer Besitzungen an sich zu bringen suchte. Alba's
rascher Einfall in den Kirchenstaat vereitelte zwar Paul's Pläne, aber der
strenggläubige König gewährte ihm einen vortheilhaften Frieden, während er
mit Heinrich II. den Krieg noch drei Jahre fortsetzte, bis die Siege der
1557. spanisch-niederländischen Truppen unter Philibert von Savoyen und
1558. Egmont (bei St. Quentin undGravelingen) dieFranzosen, die unterdessen
den mit Spanien aus Familienrücksichten innig verbündeten Engländern Ca¬
lais, den letzten Rest der mittelalterlichen Thronkämpfe, entrissen, zu dem
1559. Frieden von C h a tea u-Ca m br esis zwangen, worin sie alle Eroberungen,
namentlich Piemont und Savoyen (§. 386, 477.), Herausgaben, dafür
aber im Besitze von Calais und den lothringischen Städten Metz, Toul und
Verdun (§. 493.) blieben. Eine doppelte Vermählung sollte den Friedens¬
bund besiegeln, aber die Hochzeitsfeierlichkeiten wurden dem ritterlichen fran¬
zösischen König todtbringend (§. 532.)
Nach Beendigung des äußern Kriegs dachte Philipp auf Ausrottung der
Ketzerei. Durch die Schrecken der Inquisition (h. 394.) und die Festgräuel
der Autos da fö gelang es ihn in zwei Jahrzehnten die protestantische Ketzerei
und den maurischen Unglauben (§. 395.) zu bewältigen; aber so allgemein war
das Entsetzen vor dieser blutigen Bekehrungsart, daß Philipps italienische
Staaten sich aus allen Kräften der Einführung der spanischen Inquisition wider¬
setzten (dadurch aber nur das Joch der römischen auf sich luden) und die Nieder¬
länder lieber einen Kampf auf Leben und Tod eingingen, als daß sie sich den
Odem der Freiheit durch dieses furchtbare Institut rauben ließen. Als aber die
Aragonier sich ebenfalls gegen die richterliche Willkür Philipps und seiner
Inquisition auflehnten, drangen kastilische Heere ins Land, erstickten den Aufstand
durch Bürgerblut und vernichteten den letzten Rest altständischer Rechte. Nun