Die letzten Zeiten der unumschränkten Königsmacht. 329
B. Die französische NevolntLon.
I. Die letzten Zeiten der unumschränkten Königsmacht.
tz. 702. Ludwigs XV. Ausgang, a) Hofleben. Ludwig XV. besaß
Anfangs die Liebe des Volks in solchem Grade, daß man ihn den Vielgelieb¬
ten nannte und daß, als ihn einst in Metz eine gefährliche Krankheit befiel, das
ganze Land trauerte und seine Wiedergenesung mit dem größten Jubel feierte.
Aber diefe Liebe verwandelte sich allmählich in Haß und Verachtung, als sich der
König den schamlosesten Ausschweifungen hingab, als er den Genossen seiner Lust¬
schwelgereien und den Dienern seiner Wollust und Sinnlichkeit die Regierung des
Landes, die Leitung der Heere, die Bestimmung über Recht und Politik überließ,
und als Buhlerinnen (Mätressen) ohne Sitte und Scham Hof und Reich be¬
herrschten. Unter diesen hat keine größern und dauerndem Einfluß geübt als die
Marquise von Pompa d our, die 20 Jahre lang Frankreichs ganzes Staats-
leben lenkte, die wichtigsten Aemter mit ihren Günstlingen besetzte, die ersteStelle
im Ministerium ihrem Freunde Choiseul übertragen ließ, über Krieg und Frie¬
den bestimmte und über die Staatsgelder wie über ihre eigene Kasse verfügte, so
daß sie nach einem in Pracht und Ueppigkeit verbrachten Leben noch Millionen
zurückließ. Sie und ihre Kreaturen nährten Ludwigs Sinnlichkeit und Genu߬
sucht, damit er sich immer tiefer in den Pfuhl des Lasters stürzte und die Leitung
der Staatsgeschäfte ihnen überließe. — Uebrigens gebrauchte die Pompadour ihre
Stellung und ihren Einfluß noch mit einiger Würde, mit Takt und Umsicht; als
aber die Gräfin Dü barry, eine Frau aus der niedrigsten Volksklasse, an deren
Stelle trat, verlor der Hof alles Ansehen und alle Achtung. Choiseul wurde ent¬
fernt, um einem Schmeichler der neuen Mätresse Platz zu machen; der frühere
Kriegsruhm ging zu Grabe, und das politische Gewicht sank so tief, daß Polen,
Frankreichs alter Bundesgenosse, ungestraft getheilt wurde. Es war ein Regiment
der Lüste, unter dem die Staatseinkünfte schmachvoll verpraßt wurden, indeß das
Volk unter dem größten Drucke schmachtete und von allerTheilnahme am Staats¬
leben ausgeschlossen war. Durch den Mangel einer ständischen Vertretung fehlte
der Nation das Organ, auf gesetzmäßigem Wege zeitgemäße Verbesserungen in
Vorschlag zu bringen, und dem gebildeten und aufgeklärten Bürgerstande die Ge¬
legenheit, die ihm gebührende Stellung zu erringen. Der zucht- und sittenlose
Adel war im Besitz aller Ehrenstellen und Aemter, machte sich aber durch seine
Lasterhaftigkeit und seinen Uebermuth verächtlich und gehaßt. — Mußte unter
solchen Umständen nicht jede Ehrfurcht und Anhänglichkeit gegen den Thron aus
dem Herzen der Unterthanen verschwinden? Umsonst bestrafte die Regierung die
kecken und leichtfertigen Schriftsteller mit Kerker und Verbannung; was sie aus-
sprachen, dachte und fühlte die ganze Nation; der Glanz der Krone und die Ma¬
jestät des Herrschers waren dahin.
h. 703. ^Besteuerung. Der Luxus des Hofs, die hohen Pensionen
und Gnadengelder und die kostspieligen, nutzlosen Kriege erschöpften die Staats¬
kasse und mehrten die Schuldenlast. Steuern und Anleihen waren die ein¬
zigen Mittel den mit jedem Jahre zunehmenden Ausfall (Deficit) zu decken; aber
beide waren für das Land drückend. Denn da die Regierung ohne Vertrauen und
Kredit war, so wurden die Darlehn nur gegen hohe, die Finanzverlegenheit stets