Pauperismus und Social-Reformen. 
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noch nicht verderbten Menschennatur verdrängte und durch Vorlesungen, Lractätchen und 
Missionare eine Wiedergeburt der menschlichen Gesellschaft mittelst Vereine zu gemeinsamen 
Zwecken zu begründen trachtete, da wendete sich der gesunde Sinn des britischen Volks von 
ihm ab und es bedurfte kaum eines gänzlich mißlungenen Versuchs, eine communistische 
Colo nie in Indiana, einem der vereinigten Staaten, zu gründen, um seine Theorie alles 
Ansehens in England zu berauben. 
Z. 811. Communismus. Mannichfaltiger und praktischer gestalteten sich die kom¬ 
munistischen Ideen, die den meisten geheimen Gesellschaften zur Unterlage dienten. Die 
von Buonarotti, einem Genossen Bab eufs, herausgegebene „Geschichte der Ver¬ 
schwörung Babeufs" gab den Anstoß zur Bildung communistischer Vereine mit Ba¬ 
beufs Grundsätzen, nur daß sie nicht wie jener ausschließlich derLandwirthschast ihre 
Aufmerksamkeit zuwendeten, sondern mehr der Industrie. Unter verschiedenen und abwech¬ 
selnden Namen (als Volkssreunde, Gesellschaft der Menschenrechte, der 
Jahreszeiten; zuletzt als Gesellschaft der Gleichheits-Arbeiter, Egalitaires), 
predigten sie in Reden und Zeitschriften einen rohen Communismus, der den Mate¬ 
rialismus als höchstes Naturgesetz ausstellte, die Aufhebung des Eigenthums, der Familie, 
der Ehe, der wirksamsten Hindernisse der unbedingten Gleichheit und Brüderlichkeit, for¬ 
derte, die Civilisation und ihre Träger, die Städte, der Zerstörung preisgeben wollte und 
nur in völliger G em einsch aft der Arbeit, der Güter und der Genüsse das Glück der 
menschlichen Gesellschaft erblickte. Diese aller Gesittung und Humanität Hohn sprechende 
Lehre, zu deren Verwirklichung die Mitglieder der geheimen Verbindung alle, auch die 
blutigsten und gewaltsamsten Mittel, billigten und empfahlen, schreckte die Bessern und 
Gemäßigtern endlich zurück und erzeugte Spaltungen — namentlich seit dem Aufftands- 
versuche v. I. 1839. Es bildete sich eine gemäßigte Communistenpartei, Reformisten 
genannt, die ihr Ziel in politischer Gleichheit und in gerechter Vertheilung der durch ge¬ 
meinsame Arbeit erworbenen Erzeugnisse suchten, während die Babeusisten nach einer Re¬ 
volution strebten, um unter einer republikanischen Staatsform die Umgestaltung der bür¬ 
gerlichen Gesellschaft nach ihren Grundsätzen zu bewirken. — Auf die unbestimmten An¬ 
sichten der Reformisten gründete Cabet durch seine „Reise in Jkarien" (Utopien) und 
durch Flugschriften den ikarischen Communismus, der zwar auch völlige politische 
Gleichheit (sei cs in monarchischer oder republikanischer Form) und Gütergemeinschaft ver¬ 
mittelst einer Vertheilung der Erzeugnisse des Bodens und der Industrie verlangt, aber 
die Ehe und Familie bestehen läßt, dem krassen Materialismus des rohen Communismus 
den Glauben an ein höheres Wesen entgegenstellt, und nicht durch Gewalt, sondern auf 
dem Wege der Belehrung und Ueberzcugung seine Grundsätze verwirklichen soll. Eine de¬ 
mokratische Staatsform gilt ihm als Anfang, ein Ucbergangsstaatsrecht mit allmählicher 
Verminderung der Ungleichheiten der Güter und der Bildung, durch Abänderung der 
Erbrechte und Einführung einer gemeinsamen und freien Erziehung, als vermittelnde Pe¬ 
riode zu der von Christus gelehrten brüderlichen Gleichheit. — Einen eigenthümlichen 
Standpunkt behauptet der kritische Communismus des scharfen Dialektikers Proudhon, 
der das Eigen thum, als die Ausbeutung des Schwachen durch den Starken bekämpfend, 
(„Eigenthum ist Diebstahl") aber auch die Gütergemeinschaft als Ausbeutung des Starken 
durch den Schwachen darstellend mit Aufhebung der Erblichkeit ein individuelles 
Eigenthum nach den Leistungen eines Jeden verlangt. 
Babeufis 
mu?. 
Refor¬ 
misten. 
Ikarier 
(Cabet.) 
Proud- 
hon.
	        
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