Die neueste Literatur. 
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zahlreichen Schriften verschiedenen Inhalts sind zu erwähnen: der Roman „das junge Europa", die 
,,Reisenovellen", „französische Lustschloffer", „der Prätendent" u. a. ; unter seinen d r am at isch e n 
Werken: „Monaldeschi", „Struensee", „Prinz Friedrich", „die Karlsschüler" u. a. ; bei Abfassung 
seiner „Geschichte der deutschen Literatur" wagte er sich an eine Aufgabe, der er nicht gewachsen war. 
Mitglied des frankfurter R e i ch sp ar l am en t s imJ. 1848 hat er eine gewandte Schilderung von dieser 
Versammlung entworfen und übernahm dann die seinen Gaben zusagende Leitung des Burgthcaters zu 
Wien. — LudolfWienbarg , geb. 1803 im Hvlstein'schcn, stud. in Kiel und Bonn, lebte eine Zeitlang L. Wien¬ 
in Frankfurt a. M„ wo er mit Gutzkow an der „deutschen Revüe" arbeitete und begab sich, als die Pro- 
scribirung des „jungen Deutschlands" auch ihn traf, nach Hamburg, wo er die meisten seiner Schriften, J 
unter denen seine Kritiken und Reisebeschreibungen am bedeutendsten sind, verfaßte. 
(„Holland in den Jahren 1831 und 1832" ; „Tagebuch von Helgoland"; „Aesihetische Feldzüge", dem 
„jungen Deutschland" gewidmet; „die neueste Literatur" , eine Anzahl Recensionen ». a. m.) 
§. 106. Die Dichter unter dem Einfluß der politischen und socia¬ 
len Zeitfragen. Hatten die dem „jungen Deutschland" beigezählten Literaten, trotz 
ihres zur Schau gestellten Liberalismus und Resormeifers doch hauptsächlich die höhe¬ 
ren Kreise der Gesellschaft, die „elegante Welt" im Auge (weshalb sie auch so große 
Sorgfalt auf die künstlerische Anordnung und Ausarbeitung ihrer Schriften verwende¬ 
ten), so trat dagegen in den dreißiger und vierziger Jahren eine Anzahl junger Dichter 
auf, die nicht blos Fürsten und Regierungen, sondern die ganze gebildete Welt und 
Alles, was eine aristokratische Färbung trägt, bekämpften und dem Hasse des Volkes, 
dessen Begierden und Leidenschaften sie schmeichelten, auszusetzen suchten. Nicht aus 
Erregung eines ästhetischen Wohlgefallens, sondern auf Erreichung politischer Zwecke 
bedacht, kümmerten sie sich weniger um künstlerische Vollendung, elegante Form und edle 
Sprache, als um aufregenden Inhalt, um encrgievolle Darstellung, um leidenschaftliche 
Haltung. Sie hauchten ihren, meistens lyrischen Gedichten eine demokratische Gluth ein, 
die dem Leser zu Kops stieg und ihn gewaltig fortriß. In ihren Schilderungen des Elends 
der Proletarier, in ihrer Ironie über die Genüsse und Lebensfreuden der Reichen und 
Vornehmen, in ihren zornigen Klagen über die Verkehrtheit aller menschlichen Verhält¬ 
nisse lag eine solche Fülle von Leidenschaft, von wilder, zerstörender Kraft, von scho¬ 
nungslosem Hohn, daß sie die mächtigste Wirkung hervorbrachten und als die Vorbo¬ 
ten einer gewaltigen Umwälzung aller bestehenden Zustände erscheinen mußten. Sie 
schilderten die Machthaber und Regierenden als Bedrücker und Blutsauger des Volks 
und stellten Besitz und Reichthümer als eine ungerechte und gewaltsame Aneignung von 
Gütern dar, auf die alle Menschen gleiche Ansprüche hätten; sie suchten durch ergrei¬ 
fende Darstellung des Elends der Armuth dem besitzlosen Stande seine schreckliche Lage 
recht lebendig vor die Seele zu führen, und um ihn zur Ergreifung des Augenblicks, 
zum eiligen Handeln zu spornen, stellten sie den Glauben an Unsterblichkeit und ein 
ewiges Leben als einen Wahn dar, ersonnen in der Absicht, den Unglücklichen mit sei¬ 
nen Forderungen auf Genuß und Lebensglück an ein trügerisches Jenseits zu verweisen. 
Solche Grundsätze treten mit mehr oder minder Klarheit, Schärfe und Heftigkeit hervor 
in den Gedichten von Georg Herwegh („Gedichte eines Lebendigen"), in Hoffmann von 
Fallersleben, dem talentvollen Erneuerer des echten deutschen Volksliedes, R. E.Prutz, 
Franz Dingelstedt, Ferdinand Freiligrath u. A. Anklagen, gerichtliche Verfolgungen, 
Amtsentsetzungen erhöhten ihre Bedeutung und legten ihnen ein Gewicht bei, das sie 
weder durch ihre wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen, noch durch ihren sittlichen 
Werth verdienten. Dingelstedt zog bald Fürstengunst derVolksgunst vor und nahm 
am Stuttgarter Hof, dann in München ein Amt an; Herw egh lieferte im I. 1848, als 
er an der Spitze deutscher Arbeiter aus Paris die Insurrection im badischen Oberlande 
unterstützen wollte, den traurigen Beweis, daß vom Freiheitssänger zum Freitheitshelden 
ein weiter Weg sei; und Fre iligr a th, der abwechselnd das Kaufmannscomptoir und 
den Helikon bestieg, hat der Welt von Neuem das Zeugniß abgelegt, daß Mangel an 
klassischer Bildung und historischer Erkenntniß auf bodenlose Irrwege führe. — Auch
	        
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