Full text: Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt

X. §. 1. Eigenthümllchkelt des Grlechenvolks. 
115 
als ein erquickender und tröstender Stützpunkt für ihren Glauben und 
ihre Hoffnungen zu dienen; und endlich sich selber zu einem würdigen 
Gefäß zu bereiten, in welchem die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes 
vom Vater voller Gnade und Wahrheit zur rechten Zeit erscheinen und 
Wohnung machen könnte. Bis diese Zeit aber herankam, mußte 
auch in dem Weltreich noch eine bedeutende Veränderung geschehen. 
Denn nicht die Form und Weise des orientalischen Lebens war 
die geeignetste Schale, in welche die köstliche Narde der Offenbarungen 
gefüllt werden sollte. Sondern das Abendland, zunächst das Grie¬ 
chenthum mußte in den Orient hineingezogen werden, um als der 
geeignete Träger und Verbreiter des Evangeliums bereit zu stehen, sobald 
das süße Freudenwort die Fesseln der jüdischen Gesetzlichkeit zerspren¬ 
gen und den freien Gnadenstrom in die Heidenwelt ergießen sollte. 
X. Die Griechen, das Volk der Schönheit, Wissenschaft 
und Kunst. Entwickelung des griechischen Lebens bis zur 
ersten Berührung mit dem Weltreich und dem Gottesreich. 
Motto: Ihr Ruhm erscholl unter die Heiden ihrer Schöm 
heit halber. 
»Der Sünder Schönheit wird verzehret wie von 
Motten.» 
§. 1. Eigenthümlichkeit des Griechenvolks. 
Wie weit es der sich selbst überlassene Mensch des heidnischen 
Alterthums in der mechanischen Weisheit und Kunstfertigkeit 
bringen könnte, hatte der Herr an dem ägyptischen Volk dargestellt; 
wie weit er gelangen könnte in der Pflege der materiellen, kauf¬ 
männischen und gewerblichen Unternehmungen, sollten wir an 
den Cananitern (Phöniziern) sehen. Bis zu welchem Grade 
die massenhafte Häufung der Machtmittel und des schwelgerischen 
Lebensgenusses fortgeführt werden könnte, erkannten wir an dem 
großen orientalischen Weltreich. Jetzt treten wir einen Augen¬ 
blick von dem Boden und Schauplatz der heiligen Geschichte ab, 
um ein Heidenvolk unter der unerkannten Leitung Gottes sich heran¬ 
bilden zu sehen, welches die geistigen und sittlichen Fähigkeiten des 
natürlichen Menschengeistes bis zu dem höchstmöglichen Grade der 
Vollkommenheit entwickeln und uns die heidnische Cultur in ihrer 
schönsten und verlockendsten Entfaltung vorführen soll, schöner, hinrei¬ 
ßender, als es je einem andern (heidnischen oder christlichen) Volk ge¬ 
lungen ist. Denn mit wunderbar reichen GeisteSgaben, Anlagen und 
Fähigkeiten hatte der Herr das griechische Volk ausgestattet, und 
hatte siessin ein Land gesetzt, welches ganz dazu gemacht war, auch 
die geringsten Geisteöblüthen seiner Bewohner zur reichsten Entfal- 
8*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.