X. §. 5. Die klrlnasiatlschen Griechen.
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diese außerordentliche Selbstzucht das spartanische Gemeinwesen groß
gemacht, ihm Siege perschafft, ihm eine Zeitlang die Herrschaft über
ganz Griechenland in die Hände gegeben und 500 Jahre lang die Ei-
genthümlichkeit des spartanischen Volks in rühmlicher Weise gesichert
hat. Aber sie zertrat mit tyrannischer Gewalt alle zarteren Empfin¬
dungen des Menschenherzens und von den christlichen Tugenden:
Liebe, Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit. Glaube,
Sanftmuth, Keuschheit, hatte weder der Gesetzgeber noch sein Volk auch
nur die leiseste Ahnung.
Fast dreihundert Jahre später, um die Zeit da Jerusalem dem
Schwert des N ebucadnezar erlag, empfing auch Athen seine Gesetz¬
gebung , und zwar durch den Solon. Aber die solvnische Gesetzge¬
bung wirkte weder so durchgreifend und umgestaltend, noch auch so
lange Zeit hindurch wie die lykurgische. Auch Solon hat seine
Weisheit auf Reisen gesammelt. Er war zwar auch aus königlichem
Geschlecht wie Lykurg, aber er trieb Geschäfte als Kaufmann, wie fast
alle Athener, und man steht es seiner Gesetzgebung an, daß sie auf
einem kaufmännischen Boden gewachsen ist. Eintheilnng der Bürger
nach Vermögensclassen, Feststellung der Abgaben, des Zinsfußes, Re¬
gelung des Verkaufsrechtes, das und dergleichen bildete einen Haupt-
theil der Gesetze; dann die politischen Vorrechte, die wieder mit Pen
VermögenSclassen Zusammenhängen, die Rechte ver Archonten, des RathS
der 400, des Areopag, und der Volksversammlung wurden sorg¬
fältig gegen einander abgewogen, eine gemäßigte Volksherrschaft ein-
geführt. In sittlicher Beziehung sind die Gesetze sehr unbedeutend und
wurden nie recht beachtet; die Verfassung aber wurde so oft geändert,
als die augenblickliche Laune oder die Umstände den Wunsch nach einer
Aenderung erregten. Kaum hatte Solon nur den Rücken gewendet,
so gerieth schon wieder Alles in Verwirrung, und nur schwer gelang
es den Pisistratiden, durch eine Art Alleinherrschaft (Tyrannis) die
wüthenden Parteikämpfe zu hemmen und eine bessere Ordnung herzu¬
stellen.
§. 5. Die kleinasiatischen Griechen.
Die Gesetzgebung des Solon und die sich daran schließenden
politischen Kämpfe in Athen führen uns schon ganz nahe an die Zeit
der großen kriegerischen Erhebung Griechenlands gegen die persischen
Unterdrückungsversuche. Gleich nach Solon'S Zeiten hatte Cores,
der Knecht Gottes, die Herrschaft des asiatischen Weltreichs ange,
treten, und der lydische König Crösus, den er bezwang, erinnerte
sich (nach der Sage) in seiner Todesnoth noch an den Besuch des
weisen Solon in Sardes, der ihm gesagt, daß Niemand vor seinem
Tode glücklich zu nennen sei. Zu dem Staatsverband des lydischen
Reiches gehörten aberMch die griechischen Colonieen, Staaten und Städte
an der asiatischen Küste deS agaischen Meeres, deren ansehnlichste Milet
war. Diese geriethen also zugleich mit dem lydischen Reich und dem