XVIII. §. 11. Spaltung und Ausartung des Khallfats. 317
teien auseinander, verfluchte die Gegenpartei als Ketzer, verjagte sie
aus dem Land und verfolgte sich gegenseitig mit schrecklicher Grausam¬
keit. Und daß nur Niemand denke, es sei nach dem Abgang der He-
raclier besser geworden. Wohl war der neue Kaiser Leo Jsauricus
(717 —741) ein kräftiger Mann, warf die Bulgaren zurück und trieb
die erneuten Angriffe der Araber von seiner Hauptstadt ab. Aber er
erregte einen neuen Kirchenstreit, den Streit über die Verehrung der
Bilder, der, schrecklicher als je ein früherer Streit, den Rest der dama¬
ligen Christenheit ein ganzes Jahrhundert lang durchtobte. Mit Ekel
und mit Entsetzen wendet man sich ab von der Schilderung aller der
Rohheiten und Unmenschlichkeiten, welche die entgegenstehenden Chri¬
stenparteien damals wider einander begingen. Hat doch ein Weib, die
Kaiserin Irene, nicht bloß ihren eignen Gemahl (Leo IV.), sondern
auch sogar den Sohn ihres Leibes (Constanti» VI.) nur deshalb
hinmorden lassen, um den Bilderdienst wieder herzuftellen — und eine
sogenannte allgemeine Synode (787) war gewissenlos genug, um durch
ihre Beistimmung die Wiedereinführung der Bilderverehrung zu be¬
glaubigen.
§. 11. Spaltung und Ausartung des Khalifats.
Die gewaltige und unwiderstehliche Ausbreitung des Mohame-
danismuS war keineswegs ein Zeichen von innerer Gesundheit, Kraft
und Geschlossenheit des Khalifenreichs. Im Gegentheil eben solche
Zerspaltung, Unsicherheit, Umwälzung und Blutvergießen fand sich
um den Khalifenthron zu Mecca, Damascus und Bagdad, wie um
den Kaiserthron zu Byzanz. Woraus denn klar zu erkennen ist, daß
eS nicht der größere innere Werth, sondern allein die Hand Gottes
war, die dem einen Reiche ein solches Uebergewicht über das andere
gab. Unter den ersten 20 Khalifen wurden 16 ermordet und auch
später blieb es die Regel, daß der unumschränkte Beherrscher der mo-
hamedanischen Welt eines gewaltsamen Todes starb. Wie der Pro¬
phet selber dem Gifte eines rachsüchtigen Weibes erlegen war und
wie gleich nach seinem Tode ein wüthender Streit, ein blutiger Krieg
sich über die Thronfolge entspann, so blieb es auch ferner. Sobald
der Dolch oder das Gift den Abu Be kr oder den Omar oder den
Othman bei Seite geschafft hatte, brachen jedesmal rasende Kämpfe
aus um das Recht der Nachfolge. Es handelte sich nämlich um den
Ali, den Schwiegersohn des Propheten, der von einer großen Par¬
tei als der einzig rechtmäßige Thronfolger angesehen wurde. Aber
erst nach dem Jode, vielmehr nach der Ermordung des Othman (655)
gelang es der Partei des Ali (sie nannten sich Schiiten, Separa¬
tisten im Gegensatz der — katholischen — Sunniten), ihn zum Kha¬
lifen zu erheben. Aber auch jetzt fand er keine allgemeine Anerkennung.