XIX, §. 13. Ludwig der Fromme (814 — 840) und Anschar. 349
Söhne (Lothar, Pipin, Ludwig der Deutsche und Karl der
Kahle), den er selbst durch seine unzeitigen und unzuverlässigen Thei-
lungspläne herbeiführte, lähmte seine Macht ganz und gar, brachte
aber den Bischöfen und Aebten unerhörte Vergewaltigungen bald
durch die eine, bald durch die andere Partei. Schon war davon die
Rede, wie einst zu Pipin's Zeiten die Hälfte, so jetzt alles Kir¬
chengut einzuziehen. Und wie ihre Besitzthümer rauben, so wollte man
die Bischöfe ihrer Rechte entkleiden, ihre Sprengel zerreißen, ihre
geistliche Gerichtsbarkeit in Abrede stellen, ihre Verbindung mit dem
Papste beeinträchtigen. Wie wenig Ludwig beim besten Willen
solchem Unwesen seiner Söhne und Großen zu steuern und kräftig
einzugreifen vermochte, sieht man am klärlichsten aus der Stiftung
des Erzbisthums Hamburg oder Bremen. Ludwig hatte die vor¬
treffliche Absicht, in den nördlichsten Gegenden Deutschlands eine feste
geistliche Gründung aufzurichten, von der aus, gleich wie von dem
Erzbisthum Salzburg zu den heidnischen Slaven und Avaren, so zu
den Dänen und Schweden eine kräftige Missionsthätigkeit auö-
gehen möchte. Aber anstatt Anderen einen Halt und feste Zuflucht zu
bieten, anstatt der Stützpunkt eines erfolgreichen Angriffs gegen das
nördliche Heidenthum zu sein, ward das Erzbisthum selber überfallen,
geplündert, vergewaltigt, und der Erzbischof konnte sich so wenig
vor Hunger und Mangel schützen, daß am Ende ein Kloster in Flan¬
dern aufgesucht und ihm geschenkt werden mußte, damit er von dort¬
her wenigstens sein tägliches Brod ziehen könne. In späterer Zeit
wurde dadurch etwas besser für das Erzbisthum gesorgt, daß das
Bisthum Bremen, welches bisher zu der Kölner Erzdiöcese gehört
hatte, mit Hamburg vereinigt wurde (849). Seitdem residirte der
Hamburger Erzbischof gewöhnlich in Bremen. Aber die große Be¬
deutung für die nordische Mission, welche ihm zugedacht war, konnte
dieser Bischofssitz niemals gewinnen.
Die Missionsunternehmung nach Dänemark und den übrigen
nördlichen Ländern war veranlaßt durch das Hülfsgesuch eines vertrie¬
benen dänischen Fürsten, der um 826 zu Ludwig dem Frommen an
den Hof nach Ingelheim kam, sich mit seiner ganzen Begleitung taufen
ließ, und zur weitern Unterweisung für sich und für sein Volk sich
einige geschickte Lehrer erbat, die er mit nach Dänemark nehmen könnte.
An schar, ein Mönch aus dem Kloster Corvey, wurde mit einem an¬
dern Mönch zu diesem Amte auscrsehen. Aber er hatte es kaum an¬
getreten und in Dänemark seine Wirksamkeit begonnen, als der Fürst,
der ihn beschirmte, schon wieder vertrieben und ihm selbst alle Thätig-
keit in Dänemark untersagt wurde. Da versuchte er es in Schwe-