ni. §. 3. Das heidnische Kastenwesen. 23
der Weisen und Priester das Uebergewicht. Man nennt ste deshalb
auch wohl Priesterstaaten. Auch Meroe am obern Lauf des Nil war
ein solcher Priesterstaat. In Aegypten aber ist, wenigstens zu der
Zeit, da Israel im Lande wohnt, die Macht der Priesterkaste schon
zu gleichen Theilen gegangen mit der Kriegerkaste. Denn gewaltige
Kämpfe gegen fremde Völker sind eben vorhergegangen, und der Pha¬
rao erscheint nicht mehr bloß als der oberste Priester, sondern auch
als der oberste Krieger, der siegreiche Feldherr, der thatenfrohe Ero¬
berer, der wohl gar sich selber Tempel bauen und Gottesdienste er¬
richten läßt. — Wie nun diese ganze Kasteneinrichtung galt als eine
göttlich gewollte und geheiligte Ordnung, so hatte jede Kaste ihre
besonderen Götter und Gottesdienste; jede umgab sich mit religiöser
Scheu und grenzte sich durch Göttersprüche gegen alles Fremde ab.
Siehe, da mußte wiederum jener fremde hebräische Knecht, aus
einem Stande, dem die allergeringsten und verachtetsten Kasten
Aegyptens angehörten, aus dem Viehhirtenstand, das ganze Getriebe
der einheimischen Kasten durchbrechen. Er trat dem König zur Seite
als Regent des Landes, und der Oberpriester mußte ihm seine Toch¬
ter zum Weibe geben. Und dieser Emporkömmling durfte es wagen,
alle ihre wohlbemessenen ländlichen Einrichtungen umzustoßen, den
gesammten Grundbesitz der freien Aegypter ihnen aus den Händen
zu winden und als königliches Eigenthum den bisherigen Besitzern
nur gegen eine bestimmte Pachtsumme zur Bebauung zu überlassen.
Die bis dahin freien Landsassen wurden somit in hörige Pächter der
königlichen Güter und der Tempelgüter verwandelt (1 Mos. 47).
Späte Documente (eines Herodot, Diodor, Strabo) geben
Zeugniß, daß diese von Joseph herbeigeführte tiefgreifende Um¬
wandlung der inneren Verhältnisse Bestand gehabt und bis in die
späteren Jahrhunderte hinein sich erhalten hat. Also nicht bloß die
Weisheit der Aegypter hat Gott durch den Sendboten seines ge¬
heiligten Samens zu Schanden gemacht, sondern auch die in stolzer
Selbstgenügsamkeit sich abschließenden Kasten durchbrochen, und das
Loos der freien Grundbesitzer, die mit solcher Verachtung auf die
freien Hirten der Wüste herabsahen, scheinbar erschwert, in der
That aber nur geregelt, indem er sie den willkürlichen Anforderun¬
gen der Könige und der Priesterkaste entzog und ein geordnetes bil¬
liges Pachtverhältniß mit verhältnißmäßig geringfügigem Zins herftellte.
Daß Aegypten oder Mizraim zu der großen Nachkommenschaft
des Ham gehörte, sagt uns 1 Mos. 10, 6. Mizraim war ein
Sohn des Ham und ein Bruder des Cusch (Mohrenland, Aethiopien)