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28. Srau Holle. 13 
einmal wieder zusammen kamen, sahen sie einander voll Verwunderung an. Die 
so lange müßig gelegen hatte, sprach zu ihrer fleißigen Schwester: „Sage mir 
doch, wodurch bist du so schön geworden und ich so häßlich? Ich habe doch 
lauter gute Tage gehabt und lag still und warm hier in diesem Winkel.“ — 
„Das ist es eben,“ erwiderte die andere; „die träge Ruhe hat dich verunstaltet, 
ich aber bin schön durch meinen Fleiß geworden.“ Meißner) 
28. Frau Holle. 
(Märchen.) 
Cu Wittwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die 
andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule, weil sie 
ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte alle Arbeit thun 
und der Achenputtel im Hause sein Das arme Mädchen mußte sich täglich 
auf die große Straße neben einen Brunnen setzen und mußte so viel spinnen, 
daß ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, daß die 
Spule einmal ganz blutig war; da bückte es sich damit in den Brunnen und 
wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es 
weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück; sie schalt es heftig 
und war so unbarmherzig, daß sie sprach: „Hast du die Spule hinunterfallen 
lassen, so hol' sie auch wieder herauf!“ Da ging das Mädchen zu dem 
Brunuen zurück und wußte nicht, was es anfangen sollte, und in seiner 
Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es 
verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war 
es auf einer schönen Wiese, da schien die Sonne und waren viel tausend 
Blumen. Auf der Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war 
voller Brot; das Brot aber rief: „Ach zieh' mich 'raus, sonst verbrenn' ich, 
ich bin schon längst ausgebackenl“ Da trat es mit dem Brotschieber herzu 
und holte alles heraus. Darnach ging es weiter und kam zu einem Baum, 
der hing voll Aepfel und rief ihm zu „Ach schüttle mich, schüttle mich, wir 
Wyfel sind alle mit einander reif!“ Da schüttelte es den Baum, daß die 
Aepfel sielen, als regneten sie, und schüttelte so lange, bis keiner mehr oben 
war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es auf 
dem Pfade weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Hause, daraus guckte 
eine alte Frau; weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es 
wollte fortlaufen. Die alte Frau aber ef ihm nach: „Was fürchtest du dich, 
liebes Kind! Bleib' bei mir; wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich thun 
willst, so soll dir's gut gehen; nur mußt du Acht geben, daß du mein Bett 
sorgsam machst und fleißig aufschüttelst, daß die Federn fliegen, dann schneit 
es in der Welt; ich bin die Frau Hollel“ Weil die Alte ihm so gut zusprach, 
so faßte sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren 
Dienst. Es that auch alles zu ihrer Zufriedenheit und schüttelte ihr das 
Bett immer gewaltig auf, daß die Federn wie Schneeflocken umherflogen; 
dafür hatte es auch ein gutes Leben bei ihr, kein böses Wort und alle Tage 
Gesottenes und Gebratenes. 
Nun war es eine Zeit lang bei der Frau Holle; da ward es traurig 
und wußte anfangs selbst nicht, was ihm fehlte. Endlich merkte es, daß es
	        
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