XXIV. §. 9. Gustav Adolf in Deutschland, 1630-32. 551
Um den letzten Rest des Tilly'schen Heeres zu zerstreuen, mußte der
König vom Rhein nach Bayern ziehen. Auch hier fand er fast keinen
Widerstand. In Augsburg ließ er sich huldigen, in München
hielt er seinen Einzug. Der stolze Kurfürst Maximilian, der kurz
zuvor den Kaiser am meisten gedrängt hatte, den Wall en stein abzu¬
setzen und sein Heer zu verkleinern, sah sich jetzt gezwungen, um nicht
sein ganzes Land an den Schwedenkönig zu verlieren, den Kaiser selbst
um Hülfe anzustehen, und zwar durch eben jenen Wall en stein, den
er verdrängt. Der hatte nach seiner Absetzung mit einer unerhörten,
mehr als königlichen Pracht auf seinen Schlössern und Gütern in
Böhmen gehaust, denn die ungeheuren Erpressungen und Räubereien,
mit denen er Deutschland und Dänemark ausgeplündert, hatten ihm
fabelhafte Reichthümer zu Wege gebracht. Als nun der Augenblick
gekommen war, auf welchen der von unsinnigem Ehrgeiz und Selbst¬
überhebung verblendete Mann lange geharrt, der Augenblick, da man
ihn suchen, ihn bitten mußte, Oestreich und Bayern durch ein schnell
geschaffenes Heer zu retten, da war es ihm ein Kitzel — zuerst in un¬
glaublich kurzer Zeit durch den Zauber seines Namens ein Heer von
400,000 Mann in's Felo zu stellen, dann sich lange und fast flehent¬
lich um Uebernahme des Oberbefehls bitten zu lassen und ihn endlich
gegen Gewährung der unverschämtesten Forderungen, die ihn fast zum
Herrn des Kaisers machten, zu übernehmen. Solch ein rasendes Selbst¬
vergöttern und Höhnen aller irdischen Autorität mußte ihm bald genug
zum Verderben ausschlagen, zumal da er im Felde nichts Erhebliches
mehr leistete. Zwar die in Böhmen eingedrungenen Sachsen warf
er zurück und zwang den König Gustav Adolf, aus Bayern und
Franken zu weichen, um Sachsen zu retten. Aber in der Schlacht bei
Lützen (1632) ward er zum Rückzug genöthigt und hat sich seitdem in
kleinlichen Unternehmungen, die er immer wieder durch Unterhandlun¬
gen mit dem Feinde unterbrach, auf den Grenzen Böhmens, Sachsens
und Schlesiens umhergetrieben, bis sein verrätherisches Treiben offenbar
ward. Er wollte mit dem Feinde sich verbinden und seinen Kaiser be¬
kämpfen, aber er stürzte selber in die Grube, die er Anderen bereitete.
In Eger ward er ermordet (1634). Aber auch Gustav Adolf war
nickt mehr; in der Schlacht bei Lützen mitten im Siege war er gefallen.
Sein Tod erregte, wie sich denken läßt, bei den Katholiken ungeheuren
Jubel, bei den Protestanten ungemessenen Jammer. Und auch wir be¬
klagen sein frühes Loos und preisen Gott um die Wohlthat, die Er
durch ihn der protestantischen Kirche erzeigt hat. Aber nicht minder
müssen wir Gott danken, daß Er ihn so früh und eben jetzt aus dem
Leben hinweggenommen. Denn wo ist ein deutsches Herz, welches
wünschen könnte, daß Deutschlanv oder auch nur ein Theil Deutsch¬
lands eine schwedische Provinz geworden wäre. Und doch wäre das
unausbleiblich geschehen (und ist ja geschehen), wenn Gustav Adolf
länger gelebt hätte. Schon fürchtete er selbst, gegen die protestantischen
Kurfürsten die Waffen ergreifen zu müssen, um sich seine Herrschaft in
Deutschland zu sichern. Wie schnell wäre da aus dem Befreier ein
Bezwinger und Dränger Deutschlands geworden, und ein noch ganz