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Bilder aus der alten Geschichte.
bis er von Cyrus angegriffen würde, sondern diesem durch einen Angriff zuvorzukommen. Vorsorglich
sandte er jedoch reiche Weihegeschenke an das Orakel zu Delphi und ließ fragen, ob es geraten sei, den
Kamps mit Cyrus zu beginnen. Die Antwort lautete: „Wenn du über den Halys gehst, wirst du ein
großes Reich zerstören". Selbstgefällig deutete Krösus diesen Ausspruch nach seinen Wünschen, zog gegen
Cyrus und verstörte wirklich ein großes Reich, aber sein eigenes. Er wurde gefangen genommen und zum
Feuertode verdammt. Schon stand er auf dem Scheiterhaufen. Da fiel ihm plötzlich eine Unterredung
ein, die er mit dem weisen Solon von Athen geführt hatte. Als dieser ihn einst besuchte, zeigte er ihm
alle seine Schätze. Er erwartete, daß Solon ihn für den glücklichsten Menschen der Welt erklären werde.
Statt dessen sagte dieser ganz ruhig: „Vor seinem Tode ist niemand glücklich zu preisen!" Von der Wahr¬
heit dieses Satzes durchdrungen, rief er angesichts des Todes: „O Solon, Solon!" Cyrus, der zugegen
war, fragte nach der Bedeutung dieser Worte. Als Krösus ihm sein Erlebnis erzählt hatte, wurde Cyrus
so gerührt, daß er ihm das Leben schenkte und ihn zu seinem Ratgeber erkor.
Ende des Cyrus. Das Reich des Cyrus erstreckte sich vom Indus bis zum
Mittelmeer. Alles hatte er besiegt, nur nicht seinen — unersättlichen Ehrgeiz.
Darum kehrte er seine Waffen jetzt auch gegen die Skythen. So nannten die
Alten sämtliche nördlich wohnenden, ihnen wenig bekannten Völkerschasten. Im
Kampfe mit einem Nomadenstamme am Kaspisee verlor er Schlacht und Leben. Die
feindliche Königin — so erzählt warnend die Sage — tauchte das Haupt des Un¬
ersättlichen in einen mit Blut gefüllten Schlauch, indem sie sprach: „Trinke dich satt,
Barbar!" Kambyses, des Cyrus grausamer Sohn, ermordete seinen eigenen Bruder
Smerdes, um sich die Alleinherrschaft zu sichern. Er eroberte Ägypten, starb jedoch
an einer Wunde, die er aus Unvorsichtigkeit sich selbst beigebracht hatte. Sein Nach¬
folger Darms breitete seine Herrschaft über ganz Kleinasien aus und versuchte auch
nach Europa vorzudringen. Hierdurch kamen die Perser in langwierige Kriege mit
den Griechen. Diese Kämpfe, die Verweichlichung der persischen Könige und die Ent¬
artung des Volkes führten schließlich den Untergang des gewaltigen Reiches herbei.
6. Me Kriechen.
Griechenland bildet den südlichsten Teil der Balkanhalbinsel. Tiefe Buchten
treten überall ins Land ein und bilden treffliche Häfen. Zahllose Inseln umsäumen
seine Küsten. Im Innern ist es von Gebirgen durchzogen, die es in eine Menge
kleiner, in sich abgeschlossener Landschaften zerteilen. Diese Gestaltung war nicht ohne
Einfluß aus die Geschichte.
Die Religion der Griechen war eine Vielgötterei. Ihnen erschienen die in der
Natur und im Menschenleben waltenden Kräfte als Personen mit menschlichen Em¬
pfindungen, Tugenden und Schwächen. Nach ihrer Ansicht erzeugte die Erde aus
ihrem Schoße Wesen von übermenschlicher Größe und Kraft (Titanen, Giganten),,
die zuerst die Herrschaft führten, bis diese ihnen ein geistigeres Geschlecht entriß und
die rohen Kräfte in die Tiefe der Erde begrub. Die Götter bildeten gleichsam eine
Familie und wohnten auf dem Olymp. Durch Orakel offenbarten sie ihren
Willen. An ihrer Spitze stand der Göttervater Zeus (Jupiter)*) mit seiner Gattin
Hera (Juno). Zeus war der Lenker des Himmels und des oberen Luftbereichs.
Durch dessen Bewegung schuf er Tage, Jahre und Jahreszeiten, erregte Wind und
veranlaßte Sonnenschein. Sein Bruder Hades (Pluto) beherrschte das finstere Reich
der Unterwelt (den Orkus) und sein Bruder Poseidon (Neptun) mit dem Dreizack
gebot den Wogen des Meeres. Seine Schwester Demeter (Ceres) lehrte die Menschen
den Ackerbau und segnete die Fluren. Pallas Athene (Minerva), die Göttin der
Weisheit, entsprang gewappnet dem Haupte des Zeus. Die meisten übrigen Götter
waren Söhne und Töchter des Göttervaters; so Apollo, der Gott der Weissagung,
Artemis (Diana), die Beschützerin der Jagd, Aphrodite (Venus), die Göttin
der Schönheit, Ares (Mars), der Gott des Krieges. Hephästos (Vulkan) mit
seinen Gehilfen, den Cyklopen, betrieb in den Vulkanen,die friedliche Schmiedekunst.
Er ist gleichsam die Verkörperung des im Innern der Erde wirkenden Feuers.
') Die in Klammer beigefügten Namen sind die Bezeichnungen der Römer für die gleichen Gottheiten.