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Aegypten nun in eine römische Provinz verwandelt, und jetzt war
endlich Octavian alleiniger und unumschränkter Herr des
römischen Reiches (30 v. Chr.).
Octavian, Alleinherrscher.
Im Jahre 29 v. Chr., erst, nachdem die Angelegenheiten des
Ostens geordnet waren, kehrte Octavian nach Rom zurück.
Hier seierte er wegen seiner Siege in Dalmatien, Pannonien und
bei Actium einen dreifachen Triumph und ließ zur allgemeinen
Freude den Ianustempel schließen*). Statt des Titels „Tri-
um vir" nahm er den Titel „Imp erator“ an, der ihm für
immer verliehen wurde. Wohl nur zum Scheine äußerte er
die Absicht, die höchste Gewalt niederlegen zu wollen. Er
berieth sich darüber mit seinen Freunden, Mäcenas und Agrippa.
Diese aber waren verschiedener Ansicht. Agrippa bestärkte ihn in
seinem Vorhaben; Mäcenas aber, ein kluger Staatsmann und
des Imperator's vertrautester Freund, hatte längst dessen
herrschsüchtiges Gemüth durchschaut, und rieth daher das Entgegen¬
gesetzte. Ihm beschloß Octavian, zu folgen; dennoch aber ging er
in den Senat und erklärte, seine bisherige Gewalt niederlegen zu
wollen. Die Senatoren baten ihn dringend, von seinem Vorhaben
abzustehen. Endlich gab er ihren Bitten — mit vielleicht nur
verstelltem Widerstreben — nach, machte jedoch die Bedingung, daß
der Senat die Oberherrschaft nur noch auf 10 Jahre verlängere.
Im Jahre 27 v. Chr. gab ihm der Senat zu den bereis erhalte¬
nen großen Auszeichnungen noch den Namen „Auguftus^ d. h.
der Verehrungs würdige. Da Julius Cäsar, wie wir
wissen, ihn an Kindes Statt angenommen hatte, fo führten er und
alle seine Nachfolger auch den Namen Cäsar. So ward dieser
Name nach und nach ein Titel, ans welchem unser deutsches Wort
Kaiser entstanden ist. Rom hatte also jetzt einen Kaiser. —
Zu dieser Zeit hatte das römische Reich eine ungeheure Aus¬
dehnung ; denn es umfaßte die schönsten Länder der drei damals
bekannten Erdtheile. In Europa enthielt es, außer allen Inseln
des Mittelmeeres: Italien, Gallien, Spanien, Griechenland, Illy-
*) Dieß geschah mir in Friedenszeiten, jetzt, seit Roms Gründung, zum
dritten Mal.