Full text: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der Geschichte des Mittelalters] (Theil 3)

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Sollte aber das kaiserliche Ansehen ganz in sein altes 
Recht wieder eintreten, so mußte er auch manchen Fürsten zur 
Erfüllung seiner Pflicht und zur schuldigen Ehrfurcht wieder zu¬ 
rückführen. Das war eben nicht leicht; denn Eigenmacht gefiel 
damals den Großen besser, als Recht und Gesetz. Am stör- 
rigsten unter Allen bewies sich Ottokar, König von Böh¬ 
men, ein übermüthiger und gewalttätiger Mann, dessen Name 
durch glückliche Kriege mit Furcht erfüllt worden war. Während 
des Interregnums hatte er sich mehrerer Länder bemächtiget, 
namentlich Oesterreich's, Steiermark's, Kärnthen's und 
Krain's. Um diese Länder, deren Erwerbung Rudolph als un¬ 
rechtmäßig betrachtete, nicht wieder herausgeben zu müssen, be¬ 
schloß Ottokar, Rudolph als Herrn und Kaiser nicht anzuer¬ 
kennen. Dreimal wurde er aufgefordert, dem Kaiser den Lehns¬ 
eid zu leisten, aber er kam nicht, sondern schickte nur den Bischof 
Bernhard von Seccau. Dieser hatte die Dreistigkeit, vor den 
versammelten Fürsten eine lateinische Rede zu halten, in 
welcher er die Rechtmäßigkeit der Wahl Rudolph's anzufechten 
versuchte. Rudolph aber unterbrach ihn, und sprach: »Herr 
Bischof, wenn Ihr mit Euern Geistlichen zu reden habt, so 
sprecht lateinisch, so viel Ihr Lust habt; hier aber sprechet 
deutsch, wie es Brauch ist.« 
Die Fürsten, über des Bischofs Rede sehr erzürnt, hätten 
diesen beinahe zur Thüre Hinausgetrieben; doch Rudolph suchte 
jede Gewaltthätigkeit zu verhindern. Auf seinen Befehl rechte 
Bernhard auf der Stelle ab, der Böhmenkönig aber wurde durch 
den Ausspruch der Fürstenversammlung geächtet und aller seiner 
Lehen verlustig erklärt. 
Der trotzige Ottokar ließ sich jedoch dadurch nicht einschüch¬ 
tern; gegentheils war er noch so grausam, die Herolde, welche 
ihn: die Reichsacht verkündeten, vor den Thoren Prags aufknüpfen 
zu lassen. 
Nun begann ein Reichskrieg gegen den widerspenstigen 
Ottokar, in welchem Rudolph nur von wenigen Fürsten unter¬ 
stützt wurde und auch vom Gelde fast völlig entblößt war. 
Als ihn ein Ritter fragte: »Herr, wer soll Euern Schatz be¬ 
wahren? so antwortete er: »Ich habe keinen Schatz; diese
	        
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