Full text: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der Geschichte des Mittelalters] (Theil 3)

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Auch auf andere Bauten, z. B. Brucken, Wasserleitungen re., 
richtete er sein Augenmerk. 
Unter Justinian's Regierung wurde auch der Seidenbau 
in Europa eingesührt (552). 
Zwei Mönche, die auf ihren Bekehrungsreisen nach China 
(Tschina), dem eigentlichen Vater lande der Seidenraupe, 
gekommen waren, hatten dem Kaiser Cocons*) mitgebracht. Aus 
des Kaisers Wunsch, die Reise nach China zu wiederholen, gingen 
die Mönche noch einmal dahin, uitb brachten nun in ihren aus¬ 
gehöhlten Wanderstäben Eier der Seidenraupe mit nach Kon¬ 
stantinopel. Die Eier, beven Ausfuhr bei Todesstrafe verboten 
war, wurden nun von der Sonne ausgebrütet; die Raupen, mit 
den Blättern des Maulbeerbaumes gefüttert, spannen sich ein 
und die Cocons wurden künstlich zur Seide verarbeitet. Von 
Konstantinopel aus verbreitete sich der Seidenbau bald über ganz 
Griechenland (555). Vorher bezogen die Griechen ihre Seiden- 
waaren für sehr hohe Preise aus Ostindien. Noch im 3ten Jahr¬ 
hundert war die Seide so theuer, daß der römische Kaiser, 
Aurelian, seiner Gemahlin, welche er doch sehr liebte, den An¬ 
kauf eines seidenen Kleides abschlagen mußte; denn ein Pfund 
Seide mußte mit einem Pfunde Goldes bezahlt werden. — 
Justinian's Regierung war für das oströmische Reich 
und seine Bewohner nichts weniger als beglückend. Beständige 
Kriege, kostspielige Bauten, auch die verschwenderische Pracht an 
seinem Hofe re. drückten das Volk, indem von ihm Viel gefor¬ 
dert wurde. Daher war es kein Wunder, daß Justinian mehr 
gehaßt als geliebt wurde, besonders da das Alter ihn in seinen 
letzten Lebensjahren mißtrauisch und grausam gemacht hatte, auch 
Schmeichler und Verleumder ein offenes Ohr bei ihm 
fanden. 
Der dunkelste Flecken seines Lebens aber ist die schnöde 
Undankbarkeit gegen seinen vortrefflichen Feldherrn B e li sa r, 
dessen wir in Folgendem erwähnen werden. Eine Hauptschuld 
*) CocoU heißt die Puppe der Seidenraupe oder das Gehäuse, mit wel¬ 
chem sich die Seidenraupe umspinnt und in welchem sie sich zur Puppe ver¬ 
wandelt; es besteht aus einem einzigen, gegen 1000 Fuß langen Faden.
	        
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