Full text: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der Geschichte des Mittelalters] (Theil 3)

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Sein Reich erstreckte sich von dein Ebro im Westen bis zu 
der Theiß in Ungarn und der Oder, von dem Kanal der Nord¬ 
see, der Eider, der Ostsee im Norden bis zum Mittelmeer und 
der Tiber im Süden, umfaßte also einen Theil von Spanien, 
ganz Frankreich, die Niederlande, Deutschland, die Schweiz, halb 
Italien und einen Strich von Ungarn. 
Mit Zustimmung der Großen theilte er das Reich unter seine 
3 Söhne: Karl, Pipin unb Ludwig. Schon 810 starb Pi- 
Pin, und sein Bruder Karl folgte ihm 811 im Tode nach. Nur 
Ludwig, der weniger als seine Brüder zum Herrscher geeignet 
war, überlebte den Vater. Karl's sonst so kräftiger Körper wurde 
durch diese Schicksale hart angegriffen, und selbst Aachens warme 
Quellen hatten nicht mehr die gewünschte Wirkung. Im Ge¬ 
fühle des nahen Todes machte er sein Testament und erwartete 
dann mit großer Seelenruhe seine Auflösung. Seinen Sohn 
Ludwig ernannte er zum Mitregenten und zu seinem Nach¬ 
folger in der Kaiserwürde. Nachdem die angesehensten Großen 
des Reichs seine Anordnung gebilligt hatten, begab er sich in 
die Marienkirche, wohin ihm Ludwig lind die Versammlung der 
Großen, geistlichen und weltlichen Staildes, folgten. Hier knie'te 
er mit seinem Sohne vor deiil Hauptaltare, auf welchem eine 
goldene Krone lag, iil stillein, iirbrüilstigem Gebete. Darauf er¬ 
hob er sich, legte feinem Sohne die heiligen Pflichten eines Re- 
genten an's Herz und ermahnte ihn insbesondere, Gott zu fürch- 
teu, seine Schwestern und die übrigen Verwandten zu lieben, die 
Armen zu uilterstützen uild seinem Volke stets mit dem Beispiele 
eines tllgeildhafteil Wandels voranzuleuchten. »Willst Du, mein 
Sohu«, fragte er bann, »alle diese Pflichten treu nnb gewissen¬ 
haft erfüllen?« — »Ja! mit Gottes Hilfe,« antwortete Ludwig. 
»Wohlan denn,« fuhr Karl fort, »nimm die Krone, setze Dir sie 
selbst auf's Haupt und stets möge sie Dich an Deine Versprechun¬ 
gen erinnern!« 
Nicht lange nachher warf ein heftiges, mit Seitenstechen ver¬ 
bundenes Fieber den Kaiser auf's Krankenlager, von dem er nicht 
wieder aufkommen sollte. Mit sterbender Hand machte er auf 
Stirn und Brust das Zeichen des Kreuzes, faltete seine Hände 
über der Brust, schloß die Augen und sang mit leiser Stimme:
	        
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