■ 
— 230 — 
einen gefährlichen Feind in dem oben erwähnten Aufstande, wo- 
mi't die Bewohner der Vendée sich gegen sic erhoben. In der 
Landschaft, die vormals Poitou hieß, wohnte längs dem Meere, 
zwischen der Loire und Charente, ein unschuldiges und arbeit¬ 
sames Volk, von Ackerbauern und Hirten, das, ohne Handel 
und Gewerbflciß, die Fortschritte der Cultur und den veränderten 
Geist der Zeit, aber auch die Verderbnisi und die Unzufriedenheit 
nicht kannte, aus welcher die Revolution hcrvorgegangen war. 
Hier war keine Aufklärung und keine Civilisation, weil kein 
Mittelstand da war, und es gab keinen Mittelstand da, weil 
keine oder wenige Städte waren. Die Claffe der Landlcute 
hatten daher keine andern Ideen, als die ihnen von den Priestern 
mitgetheilt wurden, und halten ihr Interesse von dem des Adels 
nicht geschieden. Das alte patriarchalisckc Verhältnis der Guts¬ 
herren und ihrer Hintersassen und Unterthanen, das anderswo 
unter dem bleiernen Scepter des Stolzes, des Eigennutzes und der 
Selbstsucht nichts als Hasi, Trotz und Unzufriedenheit erzeugt 
hatte, bestand hier, unter dem mächtigen Einfiusse der echten 
Adelsgesinnung, in Liebe und Treue noch immer, und ebenso 
halten Ehrfurcht vor der Kirche und ihren Dienern unter diesen 
einfachen, von der übrigen Welt abgeschnittenen Menschen sich in 
einer Stärke und Allgemeinheit behauptet, wie sie im übrigen 
Frankreich nichc leicht wiedcrgefunden ward. Mit Staunen und 
Entsetzen hörten sie aus dein Munde des Adels und der Geist- 
lichkcir von den Freveln, die in der Hauptstadt gegen den Thron 
und die Kirche verübt, von den Gesetzen, welche zum Umstürze 
aller göttlichen und menschlichen Ordnung in Paris gemacht wür¬ 
den. Daher gerielh schon unter der ersten Nationalversammlung 
die Vendée in Aufruhr; es gelang aber den vereinigten Bemü¬ 
hungen dcS Hofes und der Gesetzgeber, sie zu beschwichtigen. 
Die harten Verfügungen der zweiten Versammlung gegen die 
Geistlichkeit, dann die Einkerkerung des Königs, erweckten den 
Geist der Empörung von neuem. Ludwigs gewaltsamer Tod und 
ein Decret des Convents, welches zu dem bevorstehenden Kriege 
Aushebung von 300,000 Mann gebot, entschieden den Ausbruch. 
Die jungen Leute, die in den verschiedenen Bezirken zum Loosen 
waren einberufen worden, widersetzten sich unter dem Ruse: „wir 
wollen lieber hier sterben!" und schlugen die Gensd'armcrie bei 
St. Florens. Förster, Jäger und Schleichhändler gesellten sich 
I
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.