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Nobcspierre war von hagerer Gestalt, seine Gesichtszüge
waren fein, seine Farbe blaß, sein Auge lebhaft. Er verstand
die Kunst, sich dem Pöbel als ein Wesen höherer. Art ehrwür¬
dig zu erhalten, und verschmähte zu dem Ende auch äußere Zier¬
lichkeit nicht. Zu eben der Zeit, wo seine Collegen, dem Geiste
des herrschenden Sansculottismus getreu, in schlotternden Stie¬
feln, abgenutzten Kleidern, mit ungekämmten Haaren und durch
wilde Rohheit sich zu empfehlen trachteten, zeichnete er sich durch
eine saubere Kleidung, eine anständige Frisur und ein stilles,
imponirendeö Betragen aus. Auch in moralischer Hinsicht con-
trastirte er ebenso sehr gegen seine Mitbewerber. Dahin gehört
der Eharacter von Eingezogenheit, Nüchternheit, Keuschheit, von
strenger Bürgertugend und wenigstens scheinbarer Religiosität. —
Mit ihm endete die Schreckenöregierung oder der Terrorismus,
obgleich er in seiner Partei nicht der größte Eiferer für dieses
System gewesen war. — Courtois Untersuchung von Nobes-
pierre's Papieren (s. ob.) erregte große Erwartungen; allein sein
Bericht war wenig befriedigend. Es hieß immer nur: „Nobes-
pierre war ein Verräther, er strebte nach der höchsten Gewalt re."
Aber die eigentliche Beschaffenheit seines Plans und der Beweis,
daß ein solcher Plan wirklich bei ihm existirte, ergab sich aus
dem Berichte nicht.
Der Feld.zug vom Jahre 1794.
Mitten unter diesen inneren Stürmen kämpften die französi¬
schen Armeen mit außerordentlichem Glücke. Pichegrü comman-
dirte die Nordarmce, und Iourdan, unter seinem Oberbefehle,
die Armee der Sambre und Maas. Der König von Preußen,
bei der bedenklichen Wendung der polnischen Angelegenheiten und bei
der Erschöpfung seiner Hülfsmittel des Kriegs überdrüssig, halte
die Absicht an den Tag gelegt, seine große Armee zurückzuziehen
und nur sein Contingent als Rcichsfürst, sowie diejenigen 20,000
Mann, die er in Folge deö Bündniffes von 1792 Oesterreich
stellen mußte, am Rheine stehen zu laffen; als sich aber Eng¬
land und Holland durch einen im Haag abgcschloffencn Vertrag