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vollkommenen Ablaß aller ihrer Sünden erthcilte. Gleicherweise 
soll er 150,000 Kreuze geweiht haben, die gleiche Kraft wie die 
Rosenkränze Haben sollten, so lange sie nicht zur Erde fielen. 
Er theilte auch sogar Stücke vom Schleier der Maria und vom 
Kleide Papst Pius I. aus. Der Kaiser gab dem Papste, we¬ 
nigstens mittelbar, zu verstehen, daß ihm dieser Ablaßtand 
mißfalle. 
Da der Aufenthalt des Papstes in Wien gerade in die 
Osterwoche fiel, so hatte er vielfache Gelegenheit, alles Gepränge 
der römischen Kirche auszustellen. Der Kaiser legte ihm dabei 
kein Hindernis; in den Weg, sondern nahm vielmehr mit Andacht 
an dem öffentlichen Gottesdienste Theil. Es ist bekanntlich bei 
den Katholiken Sitte, daß am grünen Donnerstage sowohl von 
dem Papste, wie auch von andern geistlichen und weltlichen Fürsten, 
zwölf armen Personen männlichen Geschlechts die Füße gewaschen 
werden, worauf sie an einer wohlbesetzten Tafel von ihnen bedient 
und noch außerdem reichlich beschenkt werden. Der Kaiser über¬ 
ließ diese Ehre des Fußwaschens seinem hohen Gaste, wählte 
aber doch selbst die Repräsentanten der zwölf Apostel, unter denen 
der eine loo Jahre alt war. Der Kaiser wohnte mit seinem 
Bruder incognito der Ceremonie des Fußwaschens bei. Nachdem 
der Papst die Schüssel gesegnet hatte, setzte er sie selbst auf den 
Tisch der Gäste. Eine davon überreichte er dem Kaiser, der sich 
aber mit den Worten entschuldigte, er sey blos als Zuschauer 
hier. Jeder Arme empfing aus seiner Hand zwanzig Ducaten 
und von dem Papste eine goldene und eine silberne Medaille. 
Durch eine Feierlichkeit anderer Art, die man in Wien noch nie 
gesehen hatte, zeichnete sich das Osterfest aus. Pius wollte den 
Wienern das Schauspiel einer großen oder sogenannten Pontificai- 
messe geben. Es mußten in der Kathedrale zu St. Stephan 
schon einige Tage vorher die nöthigen Anstalten getroffen werden; 
man wußte sich aber in die Eercmonien, die bei einer solchen 
Festlichkeit Sitte sind, so wenig zu schicken, daß Tags zuvor 
eine Generalprobe von dem Hochamte, wie von Opern und 
Komödien, gehalten werden mußte. 
Als der sehnlich erwartete Ostersonntag erschien, besetzte 
schon am frühen Morgen das Militair die Eingänge zu der 
Stephanskirche und gestattete Niemandem, als dem Adel, der 
hierzu eigene Billets erhalten hatte, den Zutritt. Da cs diesen
	        
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