112 Das Kulturleben gegen Ausgang des Mittelalters.
in Speyer, seit 1689 in Wetzlar) dienen. Zur Bestreitung der Bedürf-
«nisse des Reiches wurde eine allgemeine Reichssteuer, der Gemeine
Pfennig, bestimmt. Schließlich wurde auf einem weiteren Reichstag
1512 zu Köln das Reichsgebiet in zehn Landfriedenskreise eingeteilt.
Doch gelangte die beschlossene Reichsreform nur sehr unvollkommen zur
Durchführung. Der „Ewige Landfriede" wurde auch fürderhin unbedenklich
^gebrochen; nach wie vor galt fast nur das Recht des Stärkeren. — Das Reichs»
fammergericht befaß nicht die Macht feinen (Spruch gegen emflußreiche"WWr-
fpenftige durchzuführen, verfiel also im Laufe der Zeit der allgemeinen Miß-
achtung. — Der Gemeine Pfennig wurde meist nicht bezahlt und deshalb bald
wieder abgeschafft. — Von der Kreiseinteilung schlössen sich Böhmen (mit seinen
Nebenländern Mähren, Schlesien, Lausitz), Preußen, das unter polnischer Lehens¬
herrlichkeit stand, und die Schweizer Eidgenossen aus.
2. Äußere Ereignisse. Die äußere Politik Maximilians wurde vor
allem beeinflußt durch den Gegensatz zu Frankreich, das einen möglichst
großen Anteil an der burgundischen Erbschaft der Habsburger haben wollte.
Femer kam es zwischen Österreich-Deutschland, Frankreich und Spanien
zu einem Kampf1) um Italien. Dieser endete vorläufig (1516) damit,
daß Süditalien an Spanien, die Lombardei (Mailand) mit Genua an Frank-
reich fiel. Osterreich ging zunächst leer aus.
Die Weiterentwicklung der habsburgischen Hausmacht zur Weltmacht.
Obwohl Kaiser Maximilian bei dem Kampfe um Italien nichts erreichte, stieg doch
1 unter ihm das Hans Habsburg zur mächtigsten Herrscherfamilie Europas empor.
Maximilian verheiratete nämlich seinen Sohn Philipp den Schönen, den
Erben Burgunds, mit Johann ä^5er Wahnsinnigen2) von Aragon-Kaftilien,
der späteren Erbin Spaniens. Demnach erhielt Philipps ältester Sohn Karl
die burgundischen Gebiete, dann Spanien mit dessen Nebertländern (Sardinien,
Sizilien, Neapel sowie den neuentdeckten amerikanischen Gebieten) und erbte
von seinem Großvater Maximilian die österreichischen Lande. Karls jüngere
Geschwister Ferdinand und Maria (s. Stammtafel) vermählten sich mit Anna
und Ludwig II., den Kindern Ladislavs II. von Böhmen-Ungarn (vgl. S. 110).
Da Ludwig II. kinderlos blieb, erbten die Habsburger (1526) auch Böhmen und
Ungarn. Somit besaß das Haus Osterreich zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine
Mndermasse, in der tatsächlich „die Sonne nicht unterging".
Die inneren Verhältnisse in Deutschland und das Kulturleben gegen
Ausgang des Mittelalters.
a) Das Staats- und Rechtswesen.
1. Die staatlichen Verhältnisse. Trotz aller Versuche einer Reichs-
reform schritt der weitere Verfall der Kaisermacht in Deutschland un-
!) In diesen Kriegen zeichneten sich besonders die von Maximilian errichteten
Soldtruppen der Landsknechte aus. Sie rangen mit den Schweizern um den Ruhm
die besten Fußtruppen der Welt zu sein.
2) Johanna wurde nach dem frühen Tode ihres Gemahls schwermütig; daher ihr
Beiname.