205
König Georg empfing die Nachricht davon mit seinem gewöhnli¬
chen Kaltsinn; er würdigte die Prinzessin nicht, die Trauer für
sie anzulegcn, und nahm cs übel, daß ihr sein Schwager, der
König von Preußen, diese Ehre erwies.
Abriß der Geschichte der russische u M onar-
ch ie, von ihrer Grüudung an biß auf
Kaiser Meter den Großen.
Der Anfang der russischen Geschichte zeigt uns eine außeror¬
dentliche und in den Jahrbüchern fast beispiellose Begebenheit.
Die Slawakcn oder Donauslavcn (die sich bald nach dem
Jahre 500 zwischen den Flüssen Don und Dnjepr um die
Städte Kiew und Nowgorod oder Neustadt, niedergelassen
hatten) vernichten freiwillig ihre alte Volksregicrung und verlan¬
gen einen Herrscher von den Warägern^), ihren Feinden.
Die Alleinherrschaft ward überall durch Gewalt oder durch List
der Ehrsüchtigen cingcführt: in Rußland wurde sie mit allge¬
meiner Einwilligung des Volkes befestigt. Große Völker haben,
gleich großen Männern, ihre Kindheit: Rußland, bis um's
Jahr 862 schwach und in kleine Distrikte zertheilt, verdankt
fein Glück der Einführung der monarchischen Regierung.
Um dieses wichtige Ercigniß einigermaßen zu erklären, muß
man annchmen, daß die Waräger, welche das Gebiet der Tschu-
den und Slaven schon einige Jahre früher beherrschten, sie
ohne Bedrückung und Gewaltthatigkeiten regierten, von ihnen
nur wenig Abgaben nahmen und sie mit Gerechtigkeit behandel¬
ten. Da sie aus dem Meere herrschten und im neunten Iahr-
*) Diese Waräger waren junge normannische Helden, aus Däne¬
mark, Norwegen und Schweden, die innerhalb der Ostsee Seckö-
nige hießen (s. alt. Gesetz. B. I. S. 49).