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einige Ähnlichkeit mit ihm hatte, allgemein Glauben. Er ging 
zuerst nach Polen, wo eben der Reichstag versammelt war, trug 
den Anwesenden eine rührende Geschichte seiner Leiden vor und 
fand die lebhafteste Theilnahme. Der König (Johann Sigis¬ 
mund) erklärte zwar, er könne den kürzlich mit Rußland geschloffe¬ 
nen Frieden nicht brechen, doch erlaube er jedem Vasallen, dem 
Verfolgten Beistand zu leisten, und billige es sogar. 
■ Mit reißender Schnelligkeit versammelten sich nun Streiter 
um den angeblichen Prinzen, Polen und Kosaken; bald war er 
im Stande, in Rußland cinzubrechen; mehrere Städte öffneten 
ihm die Thorc, und schon traten ganze Provinzen zu ihm über. 
Boris hatte zwar eine Armee zusammengebracht und schlug sei¬ 
nen Gegner in mehreren Schlachten; allein das Feuer der Empö¬ 
rung griff immer weiter um sich, er konnte sich auf seine Trup¬ 
pen nicht verlassen, und der Aufruhr bewegte bereits seine Haupt¬ 
stadt. Verderben erwuchs ihm also jetzt aus seinem früheren 
Verbrechen; ec gab die Hoffnung auf und vergiftete sich selbst. 
— Durch Boris war das noch jetzt in Rußland fortbcstchcnde 
Gesetz begründet worden, nach welchem der Bauer dem Boden 
angchört, auf welchem er geboren ist, und selbigen ebenso wenig 
verlassen kann, als die Pflanze den Platz, an welchem'sie durch 
ihre Wurzel hängt. 
Nach Boris Tode rief man dessen sechzehnjährigen Sohn, 
unter der Vormundschaft seiner Mutter, zum Ezar aus; allein 
das ganze Reich war in der fürchterlichsten Gährung. Schon 
gingen Fürsten und die mächtigsten Bojaren zu dem neuaufgctre- 
tenen Bewerber über, und wohin er seine Schritte wendete, fielen 
die Städte ihm zu. Da auch der größte Theil der Armee für 
ihn gestimmt war, so wagte er es, allein unter sic zu treten. 
Mit lautem Iubelgeschrcie ward er empfangen; die meisten An¬ 
führer kamen ihm ehrfurchtsvoll entgegen; die übrigen, die nicht 
die allgemeine Stimmung theiltcn, entstehen. Auch in der Haupt¬ 
stadt selbst herrschte die nämliche Begeisterung für den angeblichen 
Sprößling der alten Dynastie, und bald erschien eine feierliche 
Gesandtschaft in Tula, wo er sich aufhielt, welche ihn im 
Namen des Volkes, für den Selbstherrscher aller Russen aner¬ 
kannte. — Aber der junge Czar und dessen Mutter lebten noch. 
Ihr Todesurthcil war der erste Befehl des neuen Herrschers. 
Sogleich eilten zwei Fürsten nach Moskau, denselben zu vollste-
	        
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