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geartet, die Zucht verfiel, sie übten selbst Räubereien aus und
wurden, wegen Mangel an Subordination, ihren eigenen Herren
oft anr gefährlichsten. Alle Angelegenheiten des Reichs wurden
im Staatsrathe oder Senate verhandelt, der Czar aber hatte
immer die entscheidende und vollziehende Gewalt.
Vermählungsfeier russischer Fürsten.
Wenn in den ersten Jahrhunderten des russischen Reiches ein
Fürst sich vermahlen wollte, so ließ er eine Ukase (Gesetz) an alle
ihm unterworfene Provinzen ergehen, in welcher allen Familien¬
vätern befohlen ward, ihre erwachsenen Töchter an den Hof zu
führen, wenn sie anders schön genug wären, um auf die Wahl
des Regenten Anspruch machen zu können. Bei ihrer Ankunft
in der Hauptstadt wurden sie von der Oberhofmeisterin empfan¬
gen, und einer jeden ward ein besonderes Zimmer angewiesen.
Der Fürst sah sie unter einem angenommenen Namen, oder auch
ohne Verkleidung. Während der Nacht wurden sie sehr aufmerk¬
sam beobachtet, und diejenigen, welche einen unruhigen Schlaf
oder lebhafte Träume hatten, wurden nicht zu der Wahl zugelas¬
sen. Der Vcrmählungstag ward festgesetzt, noch ehe der Fürst
seine Absicht entdeckt hatte. Sobald er sie bekannt werden ließ,
theilte man an alle die übrigen Mädchen Kleider aus, und sie
kehrten in den Schooß ihrer Familien zurück»