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Österreich - Ungarn.
sind in den sämtlichen Hafenorten Österreichs nur 7,2 Millionen Nettotonnen
als angekommene und 7,4 Millionen Nettotonnen als abgegangene Schiffs¬
güter verzeichnet worden, was allerdings gegenüber dem Seeverkehr vom
Jahre 1900 eine Steigerung von mehr als 55 % bedeutet.
Gar keine Berührung hat weiterhin Österreich-Ungarn
mit dem Mündungsbecken seines Haupt st rom es. Und doch be¬
käme sein Handel einen kräftigen Anstoß, wenn es einen Hafenort am Schwar¬
zen Meere innehätte. Denn hierher flutet, wie die Donau, zu einem guten
Teile auch sein wirtschaftliches Leben; nach dorthin zieht die breite, natür¬
liche Verkehrsstraße, zu deren beiden Seiten die weiten Gebiete Österreich-
Ungarns liegen, welche sie alle untereinander fester und naturgemäßer ver¬
knüpft als Gesetze und staatliche Einrichtungen es jemals vermocht haben
und künftighin vermögen werden. Mit allem Rechte kennzeichnet man die
Monarchie daher als „Kaiserreich an der Donau".
Während Deutschland die hervortretendsten Industrie- und Handelsstaa¬
ten Europas als unmittelbare Nachbarn hat: Frankreich, Belgien, Holland,
England, und von der Natur als breites Verbindungsland zwischen West-
und Ost-, Nord- und Südeuropa bestimmt wurde, wird Österreich-Un¬
garn im Osten, Süden und teilweise auch im Norden von Völkern um¬
ringt, deren Kulturentwickelung zurückgeblieben ist, deren
Produktion nureineeinseitigeEntwickelungfand,de neu kein
großzügigerGewerbetrieb zukommtund deren Verkehrsver¬
bindungen vielfach mangelhaft erscheinen.
2. Die Wirkungen der Grenfverhältnijse und -er Rmrißgestalt
der Monarchie.
Im leb hafte st en Warenaustausch und Verkehr steht Öster¬
reich-Ungarn mit jenem Staate, init dem es sich am längsten
berührt und durch seine Naturbeschaffenheit am innigsten verknüpft wurde,
von welchem her es fast seine gesamte Kultur sowie eine unschätzbare Menge
wirtschaftlicher Anregungen erhielt und mit dessen geschichtlichen Schicksalen
auch seine Vergangenheit enge zusammenhängt: mit Deutschland. Mit
ihm berührt sich das „Kaiserreich an der Donau" auf eine ebenso weite
Strecke hin als mit dem Meere, nämlich auf rund 2200 üm. Wohl schei¬
den beträchtliche Gebirge Österreich-Ungarn gerade von un¬
serem Vaterlande: die Alpen im Süden, der Böhmerwald im Westen,
Erzgebirge und Sudetensyftem im Norden. Allein all diese Berglän¬
der zeichnen sich durch starke Wegbarkeit aus und lassen so zahl¬
reiche Lücken zwischen sich, daß nicht weniger als 37 Bahnlinien von Österreich
nach dem Deutschen Reiche führen. Anderseits ist das wirtschaftliche Leben
am Grenzsaume beider Staaten streckenweise so lebhaft, daß auch paßlose
Höhenrücken, wie das Erzgebirge, es nicht zu trennen vermögen und nicht