Die Häuptlinge.
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traten dabei anfangs doch sehr leise auf und gaben
sich die Miene, als wenn ihre Bemühungen nur auf
die Verthcidigung der friesischen Freiheit und auf die
Behauptung der altangcstammten Volksrechte gerichtet
waren. Denn obgleich durch das Aufhörcn der Up-
stalsbomischen Landtage das Band gelöset war, wel¬
ches früherhin die sammtlichen friesischen Seelande an
einander hielt, so hatte doch jede einzelne Gau ihre
selbst gemachten Willkühren und ihre Staatsverfassung
bcibehalten. Die Häuptlinge hüteten sich deshalb gar
sehr, an den hergebrachten Rechten und Gewohnheiten
irgend etwas zu andern, noch sich sonst eine despo¬
tisch-gesetzgebende Macht anzumaßcn. Vielmehr legten
sie in allen Vertragen und Bündnissen, die sie ent¬
weder unter sich oder mit dem Volke, daß sich unter
ihren Schutz begab, errichteten, das alte Herkommen
zu Grunde und verpflichteten sich ausdrücklich zu dessen
Aufrechthaltung. Es war daher nach den verschiede¬
nen Verhältnissen dieser und jener Häuptlinge zu dem
Volk die Staatsverfassung hier mehr demokratisch,
dort mehr aristokratisch.
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Die Herrlichkeiten.
Die Distrikte- in welchen die Häuptlinge regierten,
wurden Herrlichkeiten genannt. Ganz Ostfriesland
wurde nach und nach in solche Herrlichkeiten zersplit¬
tert, indem fast ein jedes Kirchspiel seinen eigenen
Herrn hatte. Die Zahl sammtlichcr adclichen Bürge
stieg bis auf sechszig. Diese, so wie die dazu gehö¬
rigen Gebiete — die Herrlichkeiten — waren freies
Eigenthum der Häuptlinge, worüber sie in Kontrak¬
ten, Ehevertragen, Testamenten Je. uneingeschränkt
nach eigner Willkühr verfügen konnten. War kein Te-