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Vierte Periode.
fern durch den mächtig wirkenden und bildenden Geist
der Zeit etwas abgeschliffen, so waren sie in ihrem
häuslichen und selbst auch in ihrem öffentlichen Leben
noch immer ihren alten Vorfahren sehr ähnlich. „Sie
sind" — sagt ein damals lebender auswärtiger Ge¬
lehrter, Acneas Sylvius, Sekretär Kaiser Fries
drichs III. und nachheriger Pabst Pius II. — „ein
unbändiges und in den Waffen wohl geübtes Volk,
stark und groß von Körper. Mit ruhigem und un¬
erschrockenem Muthe trotzet es auf seine Freiheit. —-
Und in der That sind die Friesen ein freies Volk, das
nach seinen uralten Sitten lebt, kein fremdes Joch
ertragt, noch über andere Völker zu herrschen verlangt,
und für seine Freiheit« gern in den Tod geht. Den
Friesen mißfallt eine hohe Kriegswürde. Einen vors
nehmen mächtigen Mann, der sich über die andern
zu erheben sucht, dulden sie nicht. Ihre obrigkeitlichen
Personen, wählen sie alle Jahre, die nun dem Staate
mit gleichem Rechte, ohne Unterschied der Personen,
vorstchen. Die Unzucht der Frauenspersonen bestrafen
sie sehr strenge. Nicht leicht nehmen sie unvcrheira-
thete Priester unter sich auf, indem sie dafür halten,
daß die Enthaltsamkeit fast nicht möglich sey und über
die Natur des Menschen gehe. Ihr ganzer Reichthum
besteht in Vieh; ihr Land ist eben und bruchig; es
hat Ueberfluß an Gras, aber Mangel an Holz. Auf
ihren Hcerden brennen sie schwefclichten Torf und ge¬
trockneten Kuhmist."
Einfach war also auch in der nächst vorhergehenden
Periode und zu Anfänge dieses Zeitraums noch die
Sitte dcS Volks, strenge seine Lebensart, stark seine
Anhänglichkeit an das Alte und Herkömmliche und
unüberwindlich und glühend seine Liebe zum Vaterlande
und zu dem hcimathlichen Heerde. Freilich stimmte