Full text: Deutsche Gedichte für den Geschichtsunterricht

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4. Den Schwur hat er geholten. Als Kriegsruf erklang, 
Hei! wie der weiße Jüngling in'n Sattel sich schwang! 
Da ist er's gewesen, der Kehraus *) gemacht, 
Mit eisernem Besen das Land rein gemacht. 
5. Bei Lützen auf der Aue er hielt solchen Strauß, 
Daß vielen Tausend Welschen der Athem ging aus, 
Viel Tausende liefen dort hasigen Lauf, 
Zehntausend entschliefen, die nie wachen auf. 
6. Am Wasser der Katzbach er's hat auch bewährt. 
Da hat er den Franzosen das Schwimmen gelehrt: 
Fahrt wohl, ihr Franzosen, zur Ostsee hinab! 
Und nehmt, Ohnehosen, **) den Wallfisch zum Grab I 
7. Bei Wartburg, an der Elbe, wie fuhr er hindurch I 
Da schirmte die Franzosen nicht Schanze noch Burg, 
Da mußten sie springen wie Hasen über's Feld, 
Und hell ließ erklingen sein Hussa! der Held. 
8. Bei Leipzig, auf dem Plane, o herrliche Schlacht! 
Da brach er den Franzosen das Glück und die Macht, 
Da lagen sie sicher nach blutigem Fall, 
Da ward der Herr Blücher ein Feldmarschall. 
9. Drum blaset, ihr Trompeten I Husaren, heraus! 
Du reite, Herr Feldmarschall, wie Sturmwind im Saus l 
Dem Siege entgegen zum Rhein, über'n Rhein, 
Du tapferer Degen, rn Frankreich hinein! 
E. M. Arndt (geb. 1769. gest. 1860). 
108. Die Victoria in Paris. 
1. Victoria, Schiedsrichterin der Kriege, 
Du auf Berlin einst als Thorhütenn prangend, 
Hast du, zur Fremdlingstadt hieher gelangend, 
Treulos vergessen uns und deine Wiege? 
2. Victoria, wenn du hast Flügel, fliege! 
Horch! Waffenschall! Es Hort Paris erbangend, 
Du aber höre freudig, lustverlangend, 
Denn was du hörfl, sind deine eignen Siege. 
3. Victoria! es naht dein Bundsgenoffe; 
Kennst du die Stimmen nicht in deinem Ohre? 
Mit deinem Auge nicht die Fahnentücher? 
4. Laß nach dem Rheine wiehern deine Rosse I 
Denn dorther kommt zum Brandenburger Thore 
Dich heimzuholen, den du kennst, dein Blücher. 
Fr. Rückert (gib. 1789). 
Es war im Mai 1810, alS der alte Jahn mit seinen Turnern durch das Brandenburger Thor hinaus 
ging und einen Knaben fragte: ..Weißt du auch, was sonst da oben (auf dem Thore) stand?" „„Die 
Victoria"", antwortete der Knabe, „„aber die Franzosen haben sie sich heruntergeholt."" — , Nun. was 
denkst du dabei?" — .„.Was soll ich mir dabei denken? nichts!"" Patsch! gab ihm Jahn eine Ohr- 
feige und sagte: „Daß wir sie uns aus Paris wieder holen müssen, das sollst du dir dabei denken!" 
Diese Ohrfeige trug reiche Frucht: sie durchzuckte wie ein elektrischer Schlag die ganze preußische Turn¬ 
jugend. Und die Preußen haben die Victoria sich wieder heimgeholt kvergl das nachstehende Gedicht: 
„Die preußische Victoria"). 
*) „Kehraus" heitzt: der letzte Tanz, nach welchem man nach Hause geht; hier also die lehte 
Schlacht auf deutschem Grund und Boden. 
**) Ohnehosen: francos, sansculotte, ward wahrend der franzostschen Revolution der Spottname, 
den die aristokratische Partei der republikanischen beilegte.
	        
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