Full text: [Bd. 5A, [Schülerbd.]] ([Bd. 5A, [Schülerbd.]])

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glückstrahlendem Gesichte zu überreichen, und mit welcher Freude 
werden diese Kleinigkeiten entgegengenommen! Immer und immer 
wieder gehen die Liebesgaben von Hand zu Hand, keines kann sie 
genug bewundern. Selig glänzen die Augen von Vater und Mutter, 
wenn nun eins nach dem andern ihrer Kinder kommt, sie umschlingend, 
herzend, küssend, und ihnen dankend für die grosse Liebe und Güte 
ihres Herzens. Wie fröhlich macht doch solch ein Geben und Nehmen. 
Aber wie selten schweifen dann wohl die Gedanken aus der Freude 
hinaus zu den Armen, denen kein Christbaum glänzt, und die die 
kleinste Gabe erfreuen würde. Und doch sollte all der Kerzenglanz 
des grünen, geschmückten Baumes mahnen: Vergesset auch der 
Armen nicht! 
Blickt hinaus auf die schneebedeckten Strassen und seht, welch 
ein Bild des Elends sich euch darbietet. Dort unter dem Torwege 
jenes alten Hauses stehen zwei in Lumpen gehüllte Kinder. Trotz 
Kälte und Schnee glänzen die braunen Augen des armen kleinen 
Knaben so freundlich, und wie unermüdlich bietet er sein Spielzeug 
den Vorübergehenden zum Kaufe an. Neben dem Kleinen kauert ein 
blasses Mädchen, seine Schwester. Sie hat sich, um sich des Frostes 
zu erwehren, in eine alte, zerrissene Decke gehüllt, doch durch die 
Verhüllung blickt ein zartes, bleiches Gesicht — ein Antlitz, das um 
Erbarmen fleht. Welch eine bittere Kälte herrscht doch; der Wind 
treibt den Schnee in ganzen Wolken von den Dächern herab und 
überstäubt mit tausend blitzenden Sternen die armen Kinder, welche 
die eiskalte Luft in den Winkel des geschlossenen Torweges getrieben 
haben mag. Fast niemand begehrt die Kleinigkeiten, welche sie zum 
Kaufe ausbieten; so viele gehen an ihnen vorüber, ohne auch nur 
einen Blick des Mitleids für sie zu haben. Ein tiefes Weh erfasst 
die Kleinen, wenn sie den Jubel hören, der hinter den Fenstern herrscht, 
aus welchen der leuchtende Christbaum grösst. Auch diese Kinder 
predigen das Evangelium der Nächstenliebe in den Worten: Vergesst 
der Armen nicht! 
Nehmt nur den Abfall von eurem Weihnachtstische und macht 
damit ein armes Kinderherz glücklich, so werdet ihr empfinden, dass 
ja so wenig dazu gehört, um Freude zu bereiten, wenn man nur das 
Herz dazu hat. Wie schön muss es sein, in die Hütte des Armen zu 
treten, dort einen Christbaum anzuzünden, so viele Tränen zu trocknen 
und das unsagbare, ungeahnte Glück so vieler Herzen zu gründen. 
Wenn ihr solch eine edle Handlung begeht, so entzieht euch des 
Dankes; unerwartet, wie ihr gekommen seid, so entfernt euch wieder. 
Die armen Kinder werden glauben, ein Engel sei bei ihnen eingekehrt, 
und der Jubel, der aus dem sonst so stillen Hause dringt, ist für euch 
der Dank und der Segen für eine gute Tat. Nur im Kreise der Seinen, 
ungesehen und ungestört vor fremden Augen, kann das arme Kind
	        
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