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glückstrahlendem Gesichte zu überreichen, und mit welcher Freude
werden diese Kleinigkeiten entgegengenommen! Immer und immer
wieder gehen die Liebesgaben von Hand zu Hand, keines kann sie
genug bewundern. Selig glänzen die Augen von Vater und Mutter,
wenn nun eins nach dem andern ihrer Kinder kommt, sie umschlingend,
herzend, küssend, und ihnen dankend für die grosse Liebe und Güte
ihres Herzens. Wie fröhlich macht doch solch ein Geben und Nehmen.
Aber wie selten schweifen dann wohl die Gedanken aus der Freude
hinaus zu den Armen, denen kein Christbaum glänzt, und die die
kleinste Gabe erfreuen würde. Und doch sollte all der Kerzenglanz
des grünen, geschmückten Baumes mahnen: Vergesset auch der
Armen nicht!
Blickt hinaus auf die schneebedeckten Strassen und seht, welch
ein Bild des Elends sich euch darbietet. Dort unter dem Torwege
jenes alten Hauses stehen zwei in Lumpen gehüllte Kinder. Trotz
Kälte und Schnee glänzen die braunen Augen des armen kleinen
Knaben so freundlich, und wie unermüdlich bietet er sein Spielzeug
den Vorübergehenden zum Kaufe an. Neben dem Kleinen kauert ein
blasses Mädchen, seine Schwester. Sie hat sich, um sich des Frostes
zu erwehren, in eine alte, zerrissene Decke gehüllt, doch durch die
Verhüllung blickt ein zartes, bleiches Gesicht — ein Antlitz, das um
Erbarmen fleht. Welch eine bittere Kälte herrscht doch; der Wind
treibt den Schnee in ganzen Wolken von den Dächern herab und
überstäubt mit tausend blitzenden Sternen die armen Kinder, welche
die eiskalte Luft in den Winkel des geschlossenen Torweges getrieben
haben mag. Fast niemand begehrt die Kleinigkeiten, welche sie zum
Kaufe ausbieten; so viele gehen an ihnen vorüber, ohne auch nur
einen Blick des Mitleids für sie zu haben. Ein tiefes Weh erfasst
die Kleinen, wenn sie den Jubel hören, der hinter den Fenstern herrscht,
aus welchen der leuchtende Christbaum grösst. Auch diese Kinder
predigen das Evangelium der Nächstenliebe in den Worten: Vergesst
der Armen nicht!
Nehmt nur den Abfall von eurem Weihnachtstische und macht
damit ein armes Kinderherz glücklich, so werdet ihr empfinden, dass
ja so wenig dazu gehört, um Freude zu bereiten, wenn man nur das
Herz dazu hat. Wie schön muss es sein, in die Hütte des Armen zu
treten, dort einen Christbaum anzuzünden, so viele Tränen zu trocknen
und das unsagbare, ungeahnte Glück so vieler Herzen zu gründen.
Wenn ihr solch eine edle Handlung begeht, so entzieht euch des
Dankes; unerwartet, wie ihr gekommen seid, so entfernt euch wieder.
Die armen Kinder werden glauben, ein Engel sei bei ihnen eingekehrt,
und der Jubel, der aus dem sonst so stillen Hause dringt, ist für euch
der Dank und der Segen für eine gute Tat. Nur im Kreise der Seinen,
ungesehen und ungestört vor fremden Augen, kann das arme Kind